lew kobilinski-ellis

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Die göttliche Weisheit (Sophia) selbst belehrt uns, daß Sie Allweisheit sei und daß Sie keine Grenzen, außer die von Gott selbst, und keinen geistigen Mittelpunkt außer Christus (dem ewigen Gottmenschen) kennt. Als höchste Form (Receptaculum aeternum) der absoluten (göttlichen) Wahrheit, ist Sie die höchste Weisheit selbst, und dennoch ist Sie Kreatur und deshalb nur denkbar in harmonischer Einheit mit dem Glauben (im Sinne des mysterium magnum der "Offenbarung des Göttlichen").
Das höchste Geheimnis der Sophia ist gerade Ihr eigener Glauben an das Göttliche, welches der Sohn allein wissen kann, und Ihre unbedingte Aufnahme des Gottmenschlichen in sich; letzteres ist Ihre Macht, Ihr Dasein und Ihr Wesen selbst. Ohne Vereinigung mit Gott durch Ihre Einheit mit Christus verwandelt sich die höchste Weisheit (insoweit Sie eine bloß sich selbst genügende natürliche Weisheit sein will) unvermeidlich in ihren eigenen Gegenpol, in Selbstvergöttlichung der Kreatur, in jene absolute "Sünde gegen den Heiligen Geist", welche allein keine Verzeihung kennt und den geistigen Tod bedeutet (d.h. "die satanischen Tiefen der letzten Zeit" nach Solov'ëvs Ausdruck).
Jene Pseudo-Sophia, welche nicht an den Sohn glaubt und nicht mit dem Gottmen-schen eine Einheit bildet, weiß auch nichts vom wahren Vater und nimmt keinen Anteil an den Gnadengaben des Heiligen Geistes. Sophia (die wahre) ist Wort des Wortes, das Schöpfungswort des Logos-Schöpfers, das aeternum "Fiat" sempiterni Filii. Sie ist zugleich creatio und creatum, d.h. aeternum praecreatum. Sie ist "Fiat" und factum. Sie ist - divina Sapientia (Ipsa Veritas) in sapientia coeleste (vera) signata. Sie ist das Bild (die Ikone) des Bildes (der Ikone) des Vaters, weil Sie "imago et similitudo" des Sohnes-Logos ist, und deshalb vorzugsweise das ewig- (und ideell-)menschliche Antlitz des Himmels (seelisch), wie Christus das geistige Antlitz des Göttlichen ist. Deshalb ist Sie, als das nach außen klingende Wort des inneren, göttlichen Wortes, eine absolute Einheit und eine absolute Vielheit zugleich, eine ewige, unwandelbare Fülle des rein-geistigen und dadurch personalen, rein-qualitativen, in der vollkommenen Liebe und Schönheit leuchtenden wahren Seins. Die All-Einheit ist das Wesen der Sophia, und je mehr das irdisch-menschliche Bewußtsein die besonderen, mannigfaltigen Antlitze der Sophia in sich aufnimmt, desto mehr erkennt es die absolute Universalität Ihres Antlitzes und Ihres Wesens. Dann (auch in Ihren Abbildern) offenbart Sie sich als Eine und Dieselbe Weisheit, als die ewige Königin des einen und die selben Himmels, ob Sie mit dem griechischen oder lateinischen Kreuze geschaut wird, ob Sie als"divina Sapientia" oder "Zariza nebesnaja" angerufen wird. Dann erst wird klar, daß Sophia Ihre himmlische Alleinheit nur in der Universalität der empirischen Menschheit (auf Erden) und in der Ökumenizität der einen, heiligen apostolischen Kirche vollkommen widerspiegeln kann. So abbildet sich stufenweise die mystische Alleinheit (welche die himmlische Seele der irdischen Menschheit ist) in der Wesenseinheit der verklärten Jenseitskirche (als geistige Einheit), in der Lebenseinheit der universellen, irdischen Kirche (als innere organische Einheit) und endlich in der Formeinheit der ökumenischen Kirche (als empirische Einheit und sichtbares Gewand). Nur diese empirische, formelle Einheit kann zerstört werden durch den Strom der äußeren Weltgeschichte, die beiden höheren Einheiten schützt wunderbar das Kreuz und der Kaduceus der Sophia.
So ist Sophia der wahre und ewige Osten und der wahre und ewige Westen und Sie scheint nur eine andere zu sein im Westen und im Osten. Verschieden ist nur der psychologische Ausgangspunkt und der Weg der Erkenntnis; verschieden war auch historisch die Vorbereitung, die Vorschule der Sophia-Verehrung im Osten und im Westen. Der Osten ging vom Anfang an den Weg von Oben nach Unten, von der Erkenntnis des ewigen, außerpersönlichen, überweltlichen zur Anschauung der irdischen Erscheinung der Weisheit auf Erden. Die uralte Lehre der indischen Rischis und Brahmanen von "Maha-atma" (und "oum") und die Verehrung der halbsagenhaften "Königin Maja" (der Mutter des Sakia-Muni) durch Buddhisten waren die ersten nebelhaften Vorahnungen dieses Weges, die Verehrung der ewigen Weisheit in der Person der jungfräulichen Mutter Maria, zugleich mit der Anbetung des Kindes Jesu durch die drei Weisen vom Morgenlande - war die Vollendung dieses Weges.
Der Westen, von dem Weisheitsschatze der ägyptisch-hermetischen Mysterien ausgehend, durchlebte eine vieltausendjährige Vorschule der Erkenntnis der Alleinheitsweisheit und der Verehrung Ihrer irdisch-sichtbaren Vertretung (Trägerschaft) in den ägyptischen Isis-Mysterien und später in der altrömischen Vesta-Verehrung. Deshalb wurde gerade hier ein geistiger, reiner Kern gepflanzt für die später individuell-menschliche (marianische) Verehrung der himmlischen Weisheit und Keuschheit. Wenn im Osten der sophianische Aspekt der Verehrung der Himmelskönigin die Oberhand behielt, so überwog im Westen der marianische Aspekt.
Diese beiden Wege haben ihre Vorteile und ihre besonderen Gefahren. Der marianische Weg bewahrt die individuell menschliche Seele der hl. Jungfrau Maria (in der Seele der Menschheit) vor der Auflösung in dem überirdischen, kosmischen (ewig-weiblichen) Prinzip der Allheit. Dieser Weg kann aber zur einseitigen irdisch-seelischen Fixierung der Verehrung der Königin des Allseienden führen, zur Vermischung der überzeitlichen Erschaffung derselben mit Ihrer zeitlichen Erscheinung innerhalb des empirisch-historischen Prozesses (und zur Leugnung des vorzeitlichen Daseins der "Sapientia divina" und der "Regina coeli") vor der Verklärung und der Himmelfahrt der hl. Jungfrau Maria. Der sophianische Weg führt zur tiefen Erkenntnis der himmlischen Mysterien der Weisheit (Ihrer Alleinheit, Ihrer vorzeitlichen Präezistenz, Ihrer providentiellen Wesenseinheit mit der Ecclesia), jedoch öffnen sich gerade auf diesem Wege beim ersten Versuch einer Trennung der Sophia von Ihrer alleinigen Trägerin und Inkarnation (auf Erden), nämlich von der hl. Jungfrau Maria, "die satanischen Tiefen" der falschen, der luziferisch-magischen Pseudo-Weisheit, weil die Gefahr der Vermischung des Himmlischen mit dem Kosmischen, des übernatürlichen Ewig-seelischen (AVE) mit dem natürlichen und naturhaften, sexuellen) Zeitlich-weiblichen (EVA) entsteht.
Deshalb kann nur eine harmonische Vereinigung beider Wege, nur eine vollständige Einheit der Mariologie mit der Sophiologie der Menschheit die volle Wahrheit geben. Nur die innere Vereinigung des christlichen Ostens mit dem christlichen Westen im Namen der himmlischen, ewigen Weisheit (Sophia), welche die höchste Einheit von jeder Einheit, die Alleinheit selbst ist, kann auch das letzte Geheimnis des Namens Maria lösen.
Hier gerade liegt die einzigartige, unvergleichliche Größe des Vladimir Solov'ëv und seiner Sophia-Lehre, welche die Verkündigung der inneren Einheit der östlichen Sophiologie und der westlichen Mariologie ist. "Diese Anwendung der Texte der mystischen Bücher über Hagia Sophia auf die hl. Jungfrau, welche seit Urzeiten in der Liturgie sowohl der lateinischen wie auch der griechischen Kirche stattfand, bekam in unseren Tagen die kirchliche Lehrsanktion in der Bulle von Pius IX. über die Unbefleckte Empfängnis der allerhl. Jungfrau."
Diese harmonische Einheit der Sophiologie mit der Mariologie ist auch das sichere Labarum des vollen Sieges der christlichen Weisheit über alle jene außer- und antichristlichen Lehren der falschen Sophia, welche immer den feindseligen Ansturm der heidnisch-jüdischen Pseudo-Weisheit gegen das Christentum bedeuten.
Die Sophia-Lehre von Pavel Florenskij bezeugt uns, wie tief (im Vergleich zur alt-byzantinischen, bloß abstrakten Sophia-Auffassung) in der neueren russischen Sophiologie die marianische Grundlage der christlichen Weisheitslehre verstanden ist.
Der ehrwürdige russisch-orthodoxe Priester Pavel Florenskij wurde nach Beendigung seiner Studien an der mathematisch-physikalischen Fakultät der Moskauer Universität und der geistlichen Akademie Professor der Geschichte der antiken Philosophie. Seine Priesterweihe empfing er im Jahre 1911. Im Jahre 1914, also 14 Jahre nach Solov'ëvs Tode, erschien sein Hauptwerk "Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit". Dieses Werk ist das Bedeutendste von allem, was auf dem Gebiete der russischen Mystik und Theologie, speziell der Sophiologie, nach Solov'ëv entstanden ist. Pavel Florenskij vereinigt eine fundamentale Gelehrsamkeit in der Theologie, Mystik, Kirchengeschichte und Ikonographie mit umfassenden Kennt-nissen in der Mathematik, Philologie, Archäologie und Philosophie; als Schriftsteller besitzt er die Gaben der unbedingten Aufrichtigkeit und Originalität. Auch wenn in einigen Fragen (filioque, Primat S. Petri) der Standpunkt Florenskijs bis jetzt kaum genügend begründet ist und deshalb nach der klassischen allseitigen Erörterung dieser Fragen durch Solov'ëv kaum annehmbar erscheint, zumal er in seinen bisher veröffentlichten Werken nirgends eine prinzipielle Auseinandersetzung mit den Hauptwerken Solov'ëvs bietet und überhaupt keine ausführliche Betrachtung jener beiden Fragen unternimmt, so ist jedoch seine Betrachtung, Formulierung und Begründung einer ganzen Reihe der fundamentalsten Fragen des Christentums im Lichte der östlich-kirchlichen Tradition (mit ihrer originellen, tief-esoterischen und visionär-kontemplativen Weisheit) von allergrößter Bedeutung, sowohl für die universelle Kirche Christi (im Westen und im Osten), wie auch für das gesamte Reich der geistigen Kultur.
Hier nimmt ohne Zweifel das XI. Kapitel mit seiner allseitigen Betrachtung der Sophia-Frage einen ersten Platz ein. Hochbedeutend ist diese Betrachtung der Allweisheit im Lichte und im Sinne der Weisheit, die aus tiefsten und verborgenen Urquellen der Kirche Christi im Osten ausgeht. Florenskij bezeugt selbst, daß seine Sophia-Lehre keineswegs nur seine persönliche Auffassung sei, sondern daß dieselbe ihre Wurzeln in der Urtradition der christlichen Weisheit hat. Er sucht seine gewaltige Konzeption mit der Sophia-Lehre des hl. Athanasius von Alexandrien und mit den mystischen visionären Auffassungen von der "himmlischen, vorweltlichen Kirche" des charismatischen Urchristentums genetisch zu verbinden. Der Hauptwert von Florenskijs Werk liegt aber in dem Umstand, daß der Verfasser bei seiner auf geistiger Erfahrung gestützten Auffassung von dem Wesen der Kirche und in seiner Sophia-Lehre direkt aus der Urquelle schöpft, wie fast kein eigentlicher Vertreter der russischen Kirchlichkeit es vorher getan, - aus der Urquelle jener Weisheit, welche ihren pneumatischen und taumaturgischen Mittelpunkt im Osten, in dem sog. "Starzentum" (Starzestwo) besitzt.
Jene kontemplativ-tätige Tradition (des "Starzentums"), die immer mehr und mehr die Aufmerksamkeit im Westen weckt, stammt sowohl innerlich, pneumatisch, wie auch äußerlich-empirisch (historisch) aus den verborgenen Tiefen (in der Lehre und in der Handlungsweise) der Urkirche, aus der Epoche der Katakomben und des Wüsten-Einsiedlertums der ersten christlichen Anachoreten des Ostens. Die neuen Lebensformen des russischen Starzentums (im 19. Jahrhundert) verbinden sich mit den allerheiligsten Namen der "Optina"- und der "Sarowska-Pustin" ("Wüste" d.h. Einsiedelei) und hauptsächlich mit den Namen des hl. Amwrosij aus Optina und des Serafim von Sarov. Rein theologisch betrachtet, kann man sagen, daß diese beiden Mittelpunkte des "Starzentums" zugleich die lebendigsten und die aktuellsten Urquellen der wundertätigen Geistesträgerschaft sind, in den verklärtesten und mächtigsten Formen derselben; der sichtbare Ausdruck derselben ist die Taumatur-gie und die Pneumatosophie (mit der Sophiologie). Pavel Florenskij berichtet in seinem Werk nur von den Tatsachen, welche er entweder selbst als Augenzeuge erlebte, oder die durch die Forschung festgestellt und kritisch nachgeprüft wurden. Er, der eben selbst den Weg der geistigen Schülerschaft bei dem weisen Starez Isidor vom "gethsemanischen Skit" durchmachte, berichtet in Form einer mystisch-pneumatischen Symbolik und einer kontemplativen Theologie die Grundprinzipien der Pneumatosophie und der Sophiologie, indem er, seiner eigenen klaren Zeugschaft gemäß, sowohl aus seiner eigenen mystischen Erfahrung wie auch aus der Erfahrung seiner großen und heiligen Meister spricht, jener Begnadeten, welche gerade ihn gewürdigt haben, als berufener Interpret von einigen wesentlichen arcana des "Starzentums", insbesondere vom Sophia-arcanum, aufzutreten.
In bezug auf seinen allgemeinen religiösen Weg und seine theologisch-kirchliche Weltanschauung gehört Pavel Florenskij im engen Sinne nicht zur Richtung des Solov'ëv, sondern zur Richtung des Serapion Maschkin; nichtsdestoweniger ist bei ihm in einigen wesentlichen Fragen sowohl die äußere Berührung wie auch der innere Zusammenklang mit der Lehre des viel westlicher orientierten Solov'ëv bedeutsam. Das Werk "Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit" ist durchdrun-gen vom Lichte einer erhabenen Intuition des absoluten Wertes des kirchlichen Esoterismus , welcher die geistige Wurzel und ewiges Urbild jeder wahren Religion und jeder vergeistigten Kirchlichkeit war und ist.
Versuchen wir jetzt die Frage zu stellen, inwieweit innerhalb der westlichen Mariologie die Grundideen der wahren Sophiologie schon enthalten sind, wenn auch unter anderen Namen. Wenn wir also die ersten Bergketten und Festungsli-nien des sog. "offiziellen" Katholizismus, der "Ecclesia militans" im Geiste überschrei-ten und in das ewig-grünende Tal der "Ecclesia erans" demutsvoll eintreten, so werden wir sofort das geheimnisvolle Gefühl erleben, daß wir uns zugleich diesseits und jenseits des Erdenreiches befinden, daß wir aber von der Erdenschwere befreit sind, und daß uns hier alle Jahrhunderte der christlichen Weltgeschichte gleichzeitig umschweben. Das ewige Lied wird uns hier vernehmbar, und jenes Lied ist "Ave", welches zugleich durch alle irdischen und himmlischen Stimmen gesungen wird.
Die westliche Mariologie, deren hehres Weisheits-Zentrum die "Lauretanische Litanei" und deren Peripherie die marianische Kunst (ars sacra der sog. "Mariani-schen Sequenzen des Mittelalters", der visionären Mitteilungen und der Ikonogra-phie) ist, stellt den kostbarsten Weisheits- und Schönheitsschatz des Katholizismus dar. Wir geben hier nur wenige Hinweise, um zu zeigen, daß in dieser Mariologie fast alle Grundprinzipien der Sophiologie enthalten sind. Betrachten wir zunächst die "Lauretanische Litanei" mit ihren tiefsinnigen Anrufungen, welche auf alle mysteria et arcana der himmlischen Weisheit hinweisen und in eine vollendete Form der kirchlichen Latinitas (mit jenem Lakonismus, welcher niemals ein bloßer Euphemismus war) geprägt sind.
Sind nicht alle Anrufungen der "Lauretanischen Litanei" deutliche Formulierungen aller jener Geheimnisse der Weisheit, welche vice versa auch die Fragen der östlichen Sophiologie bilden? Die Reihenfolge dieser Anrufungen enthält eine bestimmte Steigerungsskala, von der Anschauung des irdisch-menschlichen Aspektes der Gottesmutter an bis zur Anschauung Ihrer ewig-himmlischen Herrlichkeit. Zunächst ist Sie als "Sancta Maria", als "Genitrix Die" und "Virgo virginum" angerufen, d.h. als incarnata, als die hl. Jungfrau von Nazareth (im Aspekte Ihrer individuell-menschlichen Seele), welche sich als "virgo immaculata" auf Erden verkörperte und zur jungfräulichen "Genitrix" (Gebärerin) des Menschensohnes Jesu wurde. In den folgenden elf Anrufungen mit "Mater" liegt der Sinn einer absichtlichen Erhöhung der Würde der Gottesmutter, weil in solchen esoterischen Weisheits-Urkunden (wie der "Lauretanischen Litanei") jedes Wort einen absoluten Wert und Sinn hat und jede Tautologie ausgeschlossen ist. Alle folgenden Anrufungen mit "Mater" bilden einen immer aufsteigenden Übergang (crescendo) zur Anschauung der himmlischen Weisheit (Sapientia) selbst in der menschlich-seelischen, verklärten Trägerin derselben. Diese Anrufungen enden mit zwei neuen Epiteta der mütterlichen Würde der Gottesmutter und wiederum mit erhöhter Bedeutung "Mater Christi" wird jetzt zur "Mater Creatoris" und "Mater Salvatoris", d.h. zur Mutter des Gottmenschen sub specie aeternitatis. In den folgenden sechs Anrufungen mit dem von neuem erklingenden "Virgo" überragt die Anschauung der Jenseits-Würde der Gottesmutter Ihren bloß menschlichen Aspekt, und hier wird das mystische, vorzeitliche Wesen der Jungfräulichkeit (im ontologischen Sinne) als die Form der Allweisheit hervorgehoben, speziell in den Namen: "Virgo prudentissima, veneranda, potens." Weiter folgt noch eine Reihe von Epiteta, welche klar andeuten, daß "Virgo Maria" als die Trägerin und der Sitz (sedes), d.h. die Vertreterin einer höheren, alles Menschliche überragenden Würde, verherrlicht wird (wenn auch in vollkommener Einheit mit Ihrer in dividuellen Seele). Sie offenbart sich als "speculum, sedes, rosa, vas, domus, janua" usw. der Prinzipien, Tugenden und Würden, deren Einheit die Allweisheit ist, und Sie bekommt zugleich persönliche und überpersönliche Bedeutung (im Sinne der realiora). Sie erscheint als ein Abbild (Speculum, Sedes) und schließlich als die Alleinheit (Rosa) selbst.
Die in der Mitte der ganzen Litanei stehende Anrufung "Sedes sapientiae" ist auch der innere Mittelpunkt derselben. Das ist eine klare Andeutung auf die sophianische Würde der Gottesmutter; hier verwandelt sich die eigentliche "Mariologie" in die "Sophiologie", und alle anderen weiteren Anrufungen, welche, immer aufsteigend, mit der Anrufung "Stella matutina" (was auf die urkreatürliche Herrlichkeit der Weisheit hindeutet) ihren Höhepunkt erreichen, sind nur eine Entfaltung dieser Steigerung. Dann aber beginnt wiederum eine stufenweise, rhythmische Rückkehr zum Irdischen und Menschlichen, jedoch - mit voller Erkenntnis der überirdischen und übermenschlichen Macht und Würde der "Virgo potens" und der "Rosa mystica". Jetzt wird die Gottesmutter als "Salus, Auxilium, Consolatrix" und zugleich als "Regina", d.h. als die allmächtige Königin aller jener angerufen, die leiden, hoffen, beten, streiten und siegen in Ihrem Namen.
Bei Zusammenfassung alles hier Gesagten möchten wir betonen, daß die "Lauretani-sche Litanei" das Lied der Erfüllung der prophetischen Worte der Gottesmutter selbst (des "Magnificat") ist, das Hohelied des Neuen Bundes, das ewige Lied der Verklärung, der Wiedergeburt und der Verherrlichung, und daß kein menschliches Lied ihm gleichkommt. Hier ist der Wundergang der Himmelfahrt der Gottesmutter besungen. Die Gottesmutter steigt hier vor unserem Blick als Virgo Maria auf, Sie verklärt sich als Mater admirabilis und Virgo potens. Sie verwandelt sich (ohne jedoch Ihr individuelles Wesen, Ihr " " in dem " " des Himmelreiches aufzulösen) in das Abbild (Speculum, Sedes) der Weisheit und in die ideelle Form (Vas) des Göttlichen... noch ein Schritt, und Sie wird mit der Alleinheit des Himmels Eins, Sie wird zur ROSA MYSTICA (als bewegliche Einheit des Engelreiches), zur Turris eburnea (als unbefleckte und reine, alle Farben, Stufen und Reiche des erlösten Seins in sich beschließende Macht und vom Erdenreich aus bis zum Himmel ragender Turm der Einheit), zur Janua coeli (als die Hüterin der Schwelle des Himmelreiches), zur Domus aurea (als der ewige Weisheitspalast der himmlischen Mysterien), zur Stella matutina (als das Licht des göttlichen "Fiat", als der Morgenstern der Schöpfung (praecreatumra) und die Allweisheit selbst. So prägt Sie Ihre marianischen Züge dem Antlitze der himmlischen Weisheit (Sapientia, Sophia) auf und nach Ihrer Verherrlichung steigt Sie wieder zu uns als Regina, d.h. als triumphierende, siegreiche "Ecclesia sanctorum" nieder. Im Reiche der ewigen Weisheit thronend, tritt Sie zugleich in die Zeit, um das Erlösungswerk Christi zu vollenden, als Königin, Mutter und Fürsprecherin der ganzen Menschheit. Dann erklingt das Dankgebet aller Getreuen: "0 Domina mea, o Mater mea! Tibi me totum offero, atque ut me tibi probem devotum, consecro tibi hodie oculos meos, aures meos, os meum, cor meum, plane me totem. Quoniam itaque tuus sum, o bona Mater, serva me, defende me ut rem ac possessionem tuam!"
Diese weißen Strahlen der "Lauretanischen Litanei" gleichwie die der "Rosa Mystica" widerspiegeln sich in den unzähligen Anrufungen, Epiteta und Verherrlichungen der "marianischen Sequenzen", wie in der Farbenpracht der gotischen Fenster.
Es wäre schwer, alle diese Definitionen, deren tiefe, esoterische Bedeutung unleugbar scheint, für eine bloße allegorische und hyperbolische Frömmigkeit zu halten, oder dieselbe nur auf die menschlich-individuelle Seele und irdisch-zeitliche Erscheinung der Gottesmutter anzuwenden. Jeder Versuch, alle diese Definitionen als Etwas, was zuerst nur nach der Himmelfahrt der hl. Jungfrau zu bestehen anfing, aufzufassen, muß scheitern. Der majestätische Jubelruf "TU REGNA CUM DEO" kann doch nicht einen bloß zeitlichen Sinn haben und nur an "Joachims Tochter" als solche gerichtet sein? Oder die Jubelrufe:
Gaude flore virginali
Et honore specali
Transcendisti omnia ...
?

Gaude, per quam chorum
Sublimatur angelorum
Natura morialium!

Ave coeli domina,
Quae transcendis agmina
Coelestis militiae.

und endlich:
Gaude, quia magi dona
Tuo nato ferunt bona
Cum magno mysterio!

SIE SELBST IST "MYSTERIUM MAGNUM" DER ALLEINHEIT.

Im Lichte dieser marianischen Sequenzen des Mittelalters wird das ganze grandiose Reich der marianischen ars sacra und scientia sacra des westlichen apostolischen Christentums als ein unermeßlicher Schatz der Weisheit (Sapientia) erstrahlen. So wird z.B. der Schluß des Danteschen "Paradiso" und speziell der letzte 33. Gesang (mit dem Gebet des hl. Bernhard) ganz anders für unser geistiges Ohr erklingen. Dasselbe kann man auch sagen über die marianische Malerei bis auf die Spät-Renaissance oder über die spätere wahre Kunst der berühmten "Beuroner".
Noch mehr: alle visionären Darstellungen (der westlichen Mystiker, vom hl. Bernhard und den Viktorinern an bis auf die sel. Maria d'Agreda und die sel. Anna Katharina Emmerich) des Himmelreiches (als die der civitas Dei des Neuen Jerusalem, oder der Jenseits-Kirche) haben immer, wenn sie im Lichte der Weisheit geschaut werden, ein himmlisch-marianisches (d.h. sophianisches) Gepräge. Deshalb sind sie alle den sophianischen Visionen der östlichen Seher wesentlich verwandt. Sie sind nicht weniger verwandt auch mit jenen wesentlichen Lehren und Weisheitsüberlieferungen, welche, von den reinen Urquellen der urchristlichen Sapientia ausgehend, nur einen anderen Aspekt des universell-kirchlichen Christentums bilden und mit den Namen des "christlichen Hermetismus" (zum Unterschied von dem sog. Okkultismus, der die hermetische Terminologie nur als Verhüllung des kaballistischen Inhalts benutzt) und "der Lehre des geistlichen Rittertums" (oder "der Weisheitstradition des hl. GRAL) bezeichnet werden können.
Alle diese Richtungen des westlichen Christentums beruhen gleicherweise auf einer tiefen, demutsvollen und keuschen Verehrung der ewigen Sapientia als der Himmelskönigin und der Jungfrau Maria, als Ihrer allein-wahren irdischen Erscheinung und Trägerin.

 

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Lew Kobilinski-Ellis, Nachwort des Übersetzers (Nachwort zu Pavel Florenskij, Sophia. Aus dem XI. Kapitel des Werkes "Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit"), in: Christi Reich im Osten. Die geistige Bedeutung Vladimir Solov'ëvs und die inneren Voraussetzungen zur Wiedervereinigung der Russisch-orthodoxen und der Römisch-katholischen Kirche [= Ähren aus der Garbe. Kleines Jahrbuch des Matthias Grünwald Verlags für das Jahr 1926], Mainz 1926, S. 118-129. Der Text wurde mit Teilen aus den "Vorbemerkungen des Übersetzers" zu Florenskijs "Sophia" ergänzt und redaktionell überarbeitet.


Hier, in dieser Lehre über die mystische Einheit der Sophia mit Christus als dem ewigen Gottmenschen, liegt die einzigartige Tiefe und Originalität der Sophia-Lehre des Vladimir Solov'ëv. Pavel Florenskij nimmt nicht dessen Konzeption von dem ewigen Gottmenschen und der himmlischen Gottmenschheit an. Das ist die negative Seite seiner eigenen Konzeption.


Vladimir Solov'ëv, Rußland und die universale Kirche, hg. von W. Setschkareff und Ludolf Mül-ler, [Deutsche Gesamtausgabe der Werke, Bd. 3], Freiburg 1954, S. . Es liegt auch ein tiefer Sinn in dem marianischen Gedicht des Solov'ëv "Das Zeichen", worin er "den Höllenblitz" aller gegenwärtigen und noch kommenden feindlichen Anstürme gegen "den Tempel" der Kirche prophezeite und welches er mit den Worten "Ja, Eins, urewig Eins" begann und mit dem Siegeslied schloß: "Doch ist Ein Zeichen noch, das nie vergeht im Scheine,/ Das zwischen Himmelreich und Erde ewig wacht,/ Jungfrau von Nazareth, die heilige, die reine,/ Der Drache unter Ihr, voll Bos-heit, ohne Macht."


Die authentische, in jeder Beziehung kompetente und ausführliche Darstellung des Wesens und der Geschichte des "Starzentums" geben die Schriften von W. Ilijn. Vgl. seine Lebensbeschreibung des Serafim von Sarov, die Abhandlung "Die Bedeutung des russischen Starzentums" und der Aufsatz "Das Wesen der russischen Frömmigkeit" im russischen Sonderheft des ,,Gral".


Vgl. z.B. die feinsinnige Abhandlung des Benediktinerpaters K. Weber in der "Benediktinischen Monatsschrift": "Die Russen und wir".


Über den Esoterismus innerhalb der christlichen Kirche sagt Florenskij die bedeutsamen, tiefen Worte: "außer dem kirchlichen Exoterismus gibt es eine Art kirchlichen Esoterismus - gibt es Ahnungen, von denen man nicht allzu offen reden soll." Die Warnung dieser Worte des russischen Priesters bilden im Vorübergehen einen harmonischen Zusammenklang mit den Worten des Benediktinerpaters Odo Gasel bei seiner Darstellung der christlichen Mysterienlehre in Verbin-dung mit den vorchristlichen "Mysterien" (im Sinne "der Vorschule Christi") in "Die Liturgie als Mysterienfeier", einer in jeder Beziehung bemerkens-werten Forschung. Pavel Florenskij berichtet uns über die Mysterien der Urkirche, wie folgt: "Es ist ohne Zweifel, daß das Urchristentum durch ein tiefes Geheimnis geschützt wurde und, in bezug auf seine äußere Lage, auch den Mysterien ähnlich war. Das Sakrament der Taufe, der letzten Ölung, der Handauflegung und der Eucharistie, die Liturgie, die Lehre über die heilige Trinität, das Glaubenssymbolum und das Gebet des Herrn - diese acht Mysterien wurden nur den Eingeweihten überliefert und deshalb existierten viele Ausdrücke, welche die Regel des Schweigens bezeichneten, in bezug auf diese Mysterien nämlich: etc. (occultatio, reticentia sacrorum, gilentium sacrum, arcanum etc.) [Bei Gasel: "die Kirche ist ein wahrer Mysterienbund." (S. 9) "Das Wort ,Mysterion', sprachlich noch nicht sicher geklärt, bezeichnet einen Geheimkult." (S. 13) "Das neue Leben, das sie (die Mysterien) bringen, ist jedenfalls zunächst ein rein religiöses." (S. 18) "Sie geben keine wissen-schaftliche Theologie ... zu schauen gilt es." (S. 18) "Das mystische Schweigen im ältesten und ursprünglichsten Sinne heftet sich an das Schweigegebot der Mysterien." (S. 135) "Allmählich entwickelte sich eine Art Arkandisziplin auch für die Gläubigen, indem die heiligsten Teile des Gottesdienstes für sie mit einem mystischen Schleier verdeckt wurden... Im Offizium bestehen heute noch Reste der alten Arkandisziplin." (S. 140) "Nicht Belehrung des Verstandes und Erzie-hung des Willens ist das, was die Mysterien zunächst erstreben, sondern ein innerliches Erfahren des göttlichen, übernatürlichen Lebens." (S. 144)] - und endlich die (im 18. Jahrhundert durch G. T. Geier erfundene) Benennung: disciplina arcani. Die strenge Bewahrung des Geheimnisses, welche durch eine ganze Reihe von Zeugnissen bestätigt wird, war jedoch keineswegs eine bloß freiwillige Bescheidenheit. Nein! Die Regel der Kirche forderte von den d.h. von den in die Mysterien der Kirche Eingeweihten das strengste Schweigen, und man sah sogar in dessen Fehlen einen charakteristischen Zug der häretischen Komplotte. Auf dem Boden dieser Regeln erwuchs und erblühte die symbolische Sprache des Altchristentums, welche der sel. Theodoret (im 5. Jahrhundert) , ' nannte." "Die Bedeutung dieses Altchristentums (disciplina arcani) unterstrich Graf A. Uwarow in seiner ,Christlichen Symbolik'. Doch neben diesem äußerli-chen (sozusagen groben) Esoterismus der Kirche besteht in ihr auch noch ein viel feinerer Esote-rismus. Hier liegt das Geheimnisvolle des Kirchenlebens für einen jeden, der in dasselbe nicht eingeweiht ist, d.h. das Bestehen einer besonderen Organisierung der Seele, ohne welche nichts (innerhalb der Kirche) richtig wahrgenommen und verstanden werden kann, und welche nur durch die Kette der lebendigen Überlieferung mitgeteilt werden kann. In diesem Sinne kann man sprechen von einer gewissen Analogie zwischen dem Kirchenleben und den alten Mysterien, wo auch ein neues, ganz besonderes Welt- und ein neues Selbstbewußtsein gegeben wurden."


Ja, Festungen, denn wie würde es jetzt sein, wenn auch hier keine sicheren Festungen gegen die "Pforte der Hölle" erbaut wären? Wenn man gewöhnlich den ganzen Katholizismus als eine Fe-stung auffaßt, so vergißt man oft, daß die andere Seite des Katholizismus nicht eher sichtbar wird, als wenn man an sie glaubt und sie mit voller Kraft der Liebe anruft. Das ist die "Ecclesia orans" im breitesten Sinne des Wortes: alles, was man "die Mystik", die "ars sacra" und "die Liturgie" nennt - ein unermeßliches Jenseitsreich auf Erden, welches ohne Festungen der "Ecclesia militans" gewiß längst zu einem Mythos geworden wäre. Einige Kritiker des Katholizismus beachten nicht genug, daß die sog. "Theologie", die Mystik und die Liturgie eine organische Drei-Einheit bilden, gleich wie das Rückgrat, der Blutumlauf und das Atmen eines Lebewesens. Der geistige Kristallisa-tionsprozeß ist ohne die Lebensbewegungsprozesse undenkbar, wie auch umgekehrt. Wenn jetzt im Westen dieser erste Prozeß zu weit gegangen ist, so geschah im Osten das Umgekehrte, und das Gleichgewicht innerhalb der beiden Reiche des Christentums kann nur durch die innere Kirchenvereinigung hergestellt werden. Die oft gerechte Opposition gegen den kirchlichen Aristotelismus kann keineswegs den geistig-inneren Kern der Scholastik treffen, weil dieser Kern (revelatio fidei) auch andere Formen (explicatio fidei) finden kann. Die platonische, die aristotelische, die tran-szendental-spekulative Form (bei Solov'ëv) der christlichen unwandelbaren Glaubens- und Weis-heitslehre kann auch durch noch andere Formen harmonisch bereichert werden, z.B. durch die Form des christlichen Hermetismus, oder durch die verchristlichte Form der Runen-Weisheit.


Der Name "Maria" bedeutet "die in das Meer (mare) des kosmisch-irdischen Lebens (in das ,Elementenmeer') heruntergestiegene himmlische All-Seele". Deshalb wird die verklärte und zum Himmel emporgestiegene Gottesmutter "Stella maris" (und "Stella matutina") genannt.
Diese allerhöchste Herrlichkeit der Gottesmutter, die sich in die Allweisheit selbst verwandelt und sich zugleich als Königin des Alls (und als "Ecclesia triumphans") zum Irdischen neigt, prägte Solov'ëv in der folgenden Strophe: "Jetzt steigt hernieder vom Himmel die wahre,/ Ewige Frau zu der irdischen Nacht,/ Die Unverwesliche, Unwandelbare,/ Tiefe und Höh' eint in Ihr Gottes Macht."


Hier liegt vielleicht der Grund, weshalb die westliche Kirche gewöhnlich nur einen Ihrer Namen (Maria) gebraucht, wenn sie von dem Himmlisch-Marianischen (Mater gloriosa, Regina coeli etc.) spricht.


Wir geben hier einige aus denselben. Die himmlische Weisheitswürde der Gottesmutter als die der ewigen AVE (der Mutter und der großen Seele des himmlischen Reiches) im Unterschied zur EVA (der Mutter des kosmisch-irdischen Lebens), Ihre Herrlichkeit als die der Urschöpfung und Ihre Macht über alle Kreaturen werden hier mannigfaltig gepriesen. Sie wird genannt: Templum sancti Spiritus; sponsa cara Dei; nobile triclinium totius Trinitatis; coeli Domina; regina; mater gloriosa, sceptrum; mater Deo digna; sidus saeculorum; porta paradisi; regina virginitatis; theoto-kos sacrosancta; aurora solis; stella solis pariens; lumen indeficiens; paradisus coelestis; rosa mundi; imperatrix angelorum; SIGNUM IMMORTALITATIS; effecta pneumatis mysterio; rosa Dei; thronus gratiae; coeli lingua; arbor vitae, decus ac gloria mundi; angelorum gloria und endlich (o mysterium tremendum!) - DEITATIS SPECULUM und TRINITATIS SPECULUM. In diesem Sinne wird sie auch wörtlich "Sophia" genannt und in nächster Nähe zum Hl. Geist (Paraclitus) gebracht: De superna Hierarchia Vera descendit Sophia... oder Tu nos vislta cum pia Christi luce in haec via Ut edocti CUM SOPHIA Regnemus in hierarchia Tecum conviventium. Eine besondere Bedeutung hat Sie als ewige, allerleuchtende Weisheit: stella maris, super omnes ordinaris ordinines coelestium: in suprema sita poli; lux in coeli palatio; sol mirae fulgentiae; stella fulgida; mater luminis; LUMEN LUMINUM; stellarum claritudo; splendor ordinum coelestis militiae; praeclara und endlich LUX ECCLESIAE. Als ewiges (vorzeitliches) Receptakulum des Hl. Geistes ist Sie die höchste Stufe der Seligkeit und der himmlischen Freude: PRINCIPIUM LAETITIAE; rosa suavissima; virgo beatissima; laeta; serenissima; clara coeli gemma; felicissima; gaudiosa, weil: ipsa laetatur, quod coeli jam conspicatur principem und ist mundi gaudium.
Die vorzeitliche Präexistenz der Gottesmutter und Ihre symbolische (prophetische) Vorbildung in den Mysterien und Urkunden der vorchristlichen Weisheit ist auch klar bezeugt: ab aeterno ordinata, in figuris praesignata, in scripturis prophetata praeludio sub mystico; o virgo, floridi--tatem tuam Deus in prima die creaturae suae praeviderat; archa Noë; stella Jacob; manna; vellus Gedeonis und deshalb: ave veri Salomonis mater und: Tu thronus es Salomonis, cui nullus par in thronis arte vel materia und Simonis navicula. Sie ist: ab aeterno vas provisum, vas insigne, vas excisum manu SAPIENTIAE und in diesem Sinne: Prophetarum illustratrix und suscitatrix mortuo-rum, d.h. die übernatürliche Weisheit, der Weg der Erweckung und der Wiedergeburt. (Siehe "Lateinische Sequenzen des Mittelalters", hg. von J. Kehrein, Mainz 1873).


Vgl. Dante Alighieri, La Divina Commedia. Paradiso, das Ende des 23. Gesanges, die Gesänge 30, 31, 32 ganz und speziell der 33. Gesang. Das Gebet des "Doctor Marianus" beginnt mit der Anru-fung: "Vergine Madre, figlia del tuo Figlio!", was wörtlich: ,,Jesu Christi generosa Mater atque Filia!" wiedergibt. Die zentrale Bedeutung hat der Ausdruck: "Termine fisso d'eterno consiglio", weil er durchaus sapiential ist. Um die allerheiligste Trinität von Angesicht zu Angesicht zu schauen, braucht der menschliche Geist benevolentia und auxillum der himmlischen Weisheit selbst.


Auf dem Gebiet der mehr spekulativen Mystik und Theologie (im Westen) finden wir auch eine fortwährende Vertiefung in das Prinzip der Alleinheit. Vom hl. Athanasius ausgehend, erreicht die mystische Intuition des in den Werken des größten aller westlichen Mystiker, des Ruysbroeck Admirabilis eine Dimension des Grandiosen.

 

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