[...] die Betrachtung
der Liebe überhaupt und der Freundschaft im besonderen in
ihrer konkreten Lebendigkeit führt uns unvermeidlich zur
Frage nach einer Erscheinung, welche mit ihnen eng verbunden
ist - zum Problem der Eifersucht. Daß diese Frage
nach ihrer Wichtigkeit praktisch auf den ersten Plan tritt -
darüber kann wohl kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen.
Aber ihre theoretische Wichtigkeit wird, wie mir scheint,
von den meisten Denkern nicht genügend erkannt: in der philosophischen
Literatur ist der Begriff der Eifersucht irgendwohin auf den
Hinterhof verwiesen, und man würdigt sie nur selten eines
Blickes. Eben darum scheint es mir notwendig, in das Wesen der
Eifersucht tiefer einzudringen. [...]
Was also ist die Eifersucht?
In dem gangbaren Wortgebrauch unter den Gebildeten wird die Eifersucht
als ein Laster aufgefaßt, oder zum mindesten als ein
unstreitig sittlicher Mangel - als etwas Schimpfliches und Belachenswertes.
Die Gebildeten pflegen den Hochmut, die Eitelkeit, die Selbstliebe,
das Mißtrauen, den Argwohn - kurz, alles nur irgend mögliche,
nur nicht einen moralischen Vorzug als Grundlage der Eifersucht
zu betrachten. Diese Anschauung von der Eifersucht ist besonders
jenem Jahrhundert eigentümlich, welches vorzugsweise revolutionär
und intellektualistisch war - dem 18. Jahrhundert; und die Eifersucht
wird insbesondere an jenem Orte verdammt, wo die aufklärerische
Verstandesmäßigkeit am unduldsamsten herrschte - in
Paris.
[...]
Der alltäglichen Auffassung gemäß ist
die Eifersucht ein für die Liebe schädlicher und häßlicher
Auswuchs; die Ursachen der Eifersucht sind dem Wesen der Liebe
fremd, und darum wird sie als ein aus der Liebe zu Entfernendes
beurteilt. Spinoza sieht eine engere Verbindung zwischen
Liebe und Eifersucht; für ihn ist die Eifersucht kein zufälliger
Begleiter der Liebe, sondern ein treuer Schatten, der
auf dem Feuerschirm des Seelenlebens jedesmal erscheint, wenn
die Liebe vom Verrat des Geliebten beleuchtet wird; oder, genauer,
die Eifersucht ist nach Spinoza ein notwendiges Äquivalent
der Liebe, welches bei einer Wendung der Beziehungen zum Schlechteren
entsteht. Die Liebe verschwindet nicht, sondern sie verwandelt
sich in Eifersucht. Jedoch auch hier, auf dem Boden der Spinozaschen
Analyse, ist eine Liebe ohne Eifersucht - bei vollkommener
Gegenseitigkeit - denkbar, so daß die Eifersucht - wenn
auch unter gewissen Umständen psychologisch notwendig -
in den Augen Spinozas eine negative Bewertung erhält als
animi fluctuatio, als Verdunkelung des Bewußtseins, als
unbezähmbare Leidenschaft. Die Eifersucht in der Liebe
ist für Spinoza keine Liebe; und darum ist die Eifersucht
tadelnswert als mit der Liebe ungleichartig, als Nichtliebe,
obwohl sie mit der Liebe in ursächlicher Beziehung, in der
Beziehung der Äquivalenz steht. So bleibt denn auch Spinoza
alles in allem bei der üblichen Auffassung der Eifersucht.
Weshalb kam das?
Um auf die gestellte Frage zu antworten, wollen wir uns an den
leblosen und dinghaften Charakter der ganzen Philosophie
Spinozas erinnern. Da Spinoza keine Kategorie der Persönlichkeit
hat, kann er die Liebe zur Person und das Begehren
nach einem Ding nicht unterscheiden, - verwechselt er Liebe
und Begierde oder, genauer, er vertauscht jene durch diese. Überall
lesen wir bei ihm das unpersönliche res amata - was man
übersetzen muß: "das begehrte Ding",
denn ein Ding kann nicht geliebt werden; ja, "res amata",
- aber nirgends ist die Rede von der geliebten Persönlichkeit,
von der Persönlichkeit, welcher allein das Epitheton "geliebte"
beigelegt werden kann. Wohl kann man in der zeitgenössischen
Gesellschaft nicht selten Redensarten hören wie "Konfitüren,
die ich liebe", "ich liebe Zigarren", "ich
liebe das Kartenspiel" u.a.m., aber für jeden normalen
Menschen ist klar, daß dies entweder eine Verzerrung und
Verdunkelung des Bewußtseins ist, oder aber eine Vergewaltigung
der Sprache. "Konfitüren", "Zigarren",
"Karten" usw. kann man nicht lieben, sondern nur begehren.
Aber das Korrelat des Begehrens sind Haß und Neid;
eben darum erhält bei Spinoza das tadelnswerte Moment
des Hasses und des Neides im Anfangs-Begriff der Liebe eine solche
Betonung. Aber, wie die Liebe kein Begehren ist, gerade so sind
auch Haß und Neid keine Eifersucht, obwohl sich letztere
gerade so zu dem verhält, was Spinoza unter Eifersucht versteht,
wie die wahre Liebe zum Begehren. Um die Eifersucht in ihrem
eigenen Wesen zu verstehen, muß man sie noch enger mit
der Liebe verbinden, sie in das Herz der Liebe einführen
und, indem man die persönliche Natur der Liebe betont,
aufzeigen, daß die Eifersucht die Liebe selbst aber
in ihrem "Anders-sein" ist; wir müssen aufdecken,
daß die Eifersucht eine notwendige Bedingung und eine
unabänderliche Seite der Liebe ist - die sich aber dem Kummer
zuwendet - so daß, wer die Eifersucht vernichten wollte,
auch die Liebe vernichten würde. Gerade so sind auch
im Begehren stets Haß und Neid.
Um dies zu zeigen, muß man vor allem von der Eifersucht
das auf ihr lastende Moment des Tadels fortnehmen. Die Eifersucht
ist so oft mit gewissen unziemlichen Arten ihrer Manifestation
verwechselt worden, daß sogar die Ausdrücke: "Eifersucht"'
"eifersüchtig sein", und "eifersüchtig"
-von "Eifersüchtler" ganz zu schweigen - zu Worten
des Tadels wurden.
Und dennoch ist es gerade so unrichtig, das Wesen der Eifersucht
in dem Argwohn, in der kleinlichen Eigenliebe, in dem Mißtrauen,
in der Mißgunst, in der Bosheit, in Haß und Neid
u.a.m. zu sehen, wie das Wesen der Liebe in dem Verweigern der
Freiheit, in der Parteilichkeit, in der Ungerechtigkeit u.a.m.
zu suchen, oder in der Kälte, Hartherzigkeit, Rauheit, Grausamkeit
das Wesen der Gerechtigkeit zu erblicken. Der Argwohn, Haß
und Neid usw. - das alles sind schlechte, unziemliche, egoistische
Manifestationen der Eifersucht, die infolge einer Vermischung
der Liebe mit dem Begehren erzeugt werden. Zwei Reihen
historischer Data weisen indessen auf die Untadelhaftigkeit und
nicht nur auf die Untadelhaftigkeit, sondern geradezu auf die
Positivität, auf das Sein-sollende der Eifersucht hin. In
der Tat redet erstens ein Volk mit reinstem Gottesbewußtsein,
das auserwählte jüdischen Volk, welches klarer als
irgendein anderes die Göttliche Liebe kannte und begriff,
beharrlich, unaufhörlich, ohne Schwanken immerfort von der
Göttlichen Eifersucht. Die ganze Bibel ist von der
Göttlichen Eifersucht gesättigt und durchtränkt,
und es ist unmöglich, nicht damit zu rechnen. Zweitens aber
hat das Volk der reinsten Menschlichkeit, das geniale Volk der
Hellenen, welches vor allen anderen die menschliche Liebe in
allen ihren Arten kannte und erfaßte, wiederum in allem
den Zug der Eifersucht als Grundzug, als den für es am meisten
charakteristischen, von ihm nicht abzutrennenden Zug. In seinen
Skizzen zur Betrachtung "Wir Philologen" merkt F. Nietzsche
unter drei "ausgewählten Punkten aus dem Altertum"
zur Ausarbeitung vor: "Die Veredelung der Eifersucht, die
Griechen sind das eifersüchtigste Volk." Und auch damit
muß man rechnen. Wenn der klarste Genius und der reinste
Glaube uns die Eifersucht als positive, im Wesen sowohl
der menschlichen als auch der Göttlichen Liebe notwendige
Kraft zeigen, so hat sie auch diese Beschaffenheit, und ist nicht
identisch mit den sie begleitenden sekundären Leidenschaften.
Was aber ist denn in einem solchen Falle die Eifersucht selbst?
Sie ist eines der Momente der Liebe, das Fundament, der Hintergrund
der Liebe, die ursprüngliche Finsternis, aus welcher der
Strahl der Liebe aufleuchtet. Die Liebe ist eine freie Auswahl:
aus vielen Persönlichkeiten erwählt das Ich
durch einen Akt der inneren Selbstbestimmung eine, und
zu dieser - einer unter vielen - stellt sie eine Beziehung fest
als zur einzigen, hängt ihr seelisch an. Sie - die gewöhnliche
- will das Ich als eine ungewöhnliche betrachten; sie -
die graue - als eine feiertägliche, sie - die alltägliche
- als ein Fest. Sie steht in der Masse, aber das Ich ruft sie
heraus und führt sie in die geschmückte Kammer seines
Herzens. Das Ich zeichnet ihr Bild auf einem aus Gold geprägten
Felde. Und das ist gerecht, denn dieses Bildnis ist keine Karikatur,
wie sie von den Menschen meistens gezeichnet wird; das ist sogar
kein von Weisen gemaltes Porträt. Das ist ein Bild vom göttlichen
Bildnis - eine Ikone. Indem das Ich die "Gerechtigkeit"
des Identitätsgesetzes durch einen metaphysischen Akt der
Selbstbestimmung - nicht durch den Verstand, sondern durch sein
ganzes Wesen - verletzt, beschließt es, in der erwählten
Persönlichkeit - einer unter vielen - eine ausschließliche,
aus der Reihe der übrigen hervorragende zu sehen; kurz,
es gestaltet seine Beziehungen zu der erwählten so, daß
diese Persönlichkeit für es zu einem Du wird. Die Freundschaft,
ich wiederhole es, ist ausschließend, wie auch die
eheliche Liebe ausschließend ist. "Vieles" -
ist ein Merkmal der Unvollkommenheit des Objekts der Liebe als
solche, ein Merkmal der Unabgeschlossenheit des Du als Du. Viel-Ehe
und Viel-Freundschaft sind ihrer Idee nach falsch und müssen
unvermeidlich in etwas Persönliches übergehn
- erstere in Ein-Ehe, letztere in Ein-Freundschaft, oder sie
müssen sich vollständig zersetzen und verfaulen, erstere
in die Beziehung der Begierde, letztere in die Beziehung der
Gewinnsucht, d.h. sie müssen aus halbpersönlichen zu
dinghaften werden. "Man kann nicht", so sagt Aristoteles,
"ein Freund vieler sein, sofern man die vollkommene Freundschaft
im Auge hat, gerade so, wie man nicht gleichzeitig in viele verliebt
sein kann. Eine solche Freundschaft erscheint als Vollkommenheit
und kann als solche nur einem Menschen zugewandt sein."
Wenn man hier aber auch sagen sollte, daß es solcher geliebter
Du "viele" gäbe, so ist doch die Beziehung zu
einem jeden bei der Liebe wie zum einzigen. Jede Liebe hat in
ihrem Wesen eine erwählende Kraft, ist dilectio, und darum
ist der Geliebte stets der auserwählte, einzige. Ebendarin
liegt die persönliche Natur der Liebe, ohne
welche wir es mit einem dinghaften Begehren und einer
gleichgültigen Ersatzmöglichkeit des begehrten Dinges
durch ein ihm gleiches zu tun hätten. Die Forderung der
numerischen Identität der geliebten Persönlichkeit
auch bei einem Fehlen der generischen Identität, der Merkmalsidentität,
d.h. die Treue für die Persönlichkeit auch bei ihrer
Veränderung, charakterisiert die Liebe und zugleich
die Verletzung des Identitätsgesetzes durch sie,
während die Forderung der generischen, der Merkmals-Identität
des begehrten Dinges - bei der Gleichgültigkeit zur numerischen
Identität, sogar bei ihrem Nicht-Begreifen - und darum die
Beobachtung des Identitätsgesetzes die Begierde charakterisiert.
Das Bewußtsein der Einzigkeit, das ist die Bedingung der
Liebe selbst in ihren unvollkommensten Manifestationen; mehr
als das, sogar für die Illusion der Liebe ist, wenn
nicht die Einzigkeit, so doch wenigstens die Illusion der Einzigkeit,
der Unwiederholbarkeit, der Ausschließlichkeit notwendig,
wenn auch er, der Liebende, das geliebte Wesen ebenso grundlos
für einzig halten sollte, wie jede erste Liebe sich in der
Welt und der Geschichte stets für einzig hält, wie
sich jeder von den "einzig rechtmäßigen"
Erben und Interpreten Kants irrtümlich für den einzigen
hält, wie endlich der "Einzige" Stirners sich
fälschlich als einzigen behauptet. Anders ist selbst die
Illusion der Liebe nicht möglich, und es werden in den Beziehungen
nur Gewinnsucht, Unflat und Tod sein. Der Gedanke selbst von
der Möglichkeit eines Ersatzes der einen Person durch die
andere ist, da er sich auf die Anerkennung der Homoiusie, d.h.
der Dinghaftigkeit stützt, ein sündhafter Gedanke,
der zum Tode führt.
Durch einen unbegreiflichen Akt der Erwählung ist die Persönlichkeit
zu einer einzigen gemacht, zum hohen königlichen Rang des
Du berufen. Sie hat sich mit dieser Erwählung einverstanden
erklärt. Sie hat "JA" gesagt und sich die Krone
der Majestät aufgesetzt. Was will denn nun das Ich? Nur
das eine: was es früher gewollt hatte - seine Liebe. Das
Ich behauptet den Akt seiner Liebe als dem Werte nach ewig und
fordert somit seine Dauerhaftigkeit und Unabänderlichkeit.
Diese innere Behauptung bringt sich zum Ausdruck als Eifersucht
oder Eifer, seinen ewigen Akt der Erwählung des geliebten
Du in der Zeit zu inkarnieren. Das Ich wünscht, daß
das Du es nicht in seiner Liebe störe, d.h. daß es
in bezug auf es wirklich ein Du sei. Das geliebte Du soll sich
als einziges gebärden; es soll von dem Piedestal seiner
Aussonderung, Isolierung und Erwählung nicht herabsteigen.
Es hat nichts zu sagen, wenn das erwählte Ich in der Masse
und für die Masse das Durchschnittlichste ist. Aber für
das Ich, für den Erwählenden, soll es eben ein Du sein
und nichts anderes als ein Du: anders wäre die Liebe selbst
unmöglich, anders könnte der Akt der Erwählung
selbst sich nicht in der Zeit inkarnieren. Anders wird die "Zeit"
der Liebe kein "bewegliches Bild der Ewigkeit",
der Erwählung sein. Das Du muß sich in bezug auf das
Ich als ein Du gebärden, nicht aber wie eines von vielen
- es soll geschmückt sein mit der Königskrone und nicht
mit der Nachtmütze. Das Bewußtsein seitens des Du
von dieser Notwendigkeit für die Möglichkeit der Liebe
zieht den Wunsch nach sich, diese Erwählung zu verwirklichen
und sie alsdann zu befestigen und zu bewahren. Das alles zusammen
genommen ist eben die Eifersucht.
Wenn aber das Du dies nicht will, wenn es hartnäckig
seinen Rang und seine hohe Position, die es freiwillig annahm,
verletzt? Wenn es, nachdem es das Angebot der neuen Wesenheit
- des Du - mit einem "JA" beantwortet hat, aus Leichtsinn
oder Eigensinn oder aus Mangel an Aufrichtigkeit in dem auf sich
genommenen hohen Lose durch sein Leben zeigt, daß
das Ich für es nicht Ich ist? Wenn es bei dem Wunsche, Du
zu sein, das Ich nicht für ein Ich anerkennen will? Dann
kann und soll das Ich entgegen wirken. Diese Gegenwirkung
ist eine Manifestation der Eifersucht - der Eifersucht
auf die eigene Liebe, d.h. der Sorge um die Unbeflecktheit, Echtheit,
endlich um die Bewahrung dieser Liebe. Diese Forderung vom Du
im Namen selbst der Möglichkeit der Liebe zieht den Wunsch
nach sich, diese Erwählung zu verwirklichen, zu befestigen
und zu schützen. Das alles zusammen, ich wiederhole es,
ist die Eifersucht. Eines von beiden: entweder muß
das Du diese Gegenwirkung, diesen Kampf um die Liebe, diese Eifersucht
anerkennen und sich ändern, oder aber, es muß
sich von seinem Rang lossagen, sich für ein nur
Durchschnittliches anerkennen, von dem Thron in die graue Masse,
von dem Fest in die alltägliche Umgebung zurückkehren.
Das Ich kann nicht lieben und nicht eifersüchtig sein, wenn
das Du faktisch aufhört, ein Du zu sein, d.h. es kann nicht
auf das Streben verzichten, es wieder zu einem Du zu machen.
Wenn ihm daher das Recht und die Pflicht der Eifersucht nicht
zugestanden werden, so bleibt ihm nichts übrig, als das
Du von seinem Thron herabzustoßen. Das Ich muß das
Du vergessen, aufhören, es zu lieben, denn nur auf diesem
Wege kann das Du von der Forderung der Gegenliebe befreit
werden. Aber das Du ist in das Ich hineingewachsen, zu seinem
Teil geworden. Aufhören zu lieben, das bedeutet, seines
Teiles verlustig gehn. Vergessen, das bedeutet, ein Stück
lebendigen Fleisches von sich abtrennen. Das eben geschieht,
wenn man, die fremde Freiheit achtend, aus dem Herzen die Liebe
mit dem Herzen selbst ausreißen muß.
Die Liebe ist grenzenlos; sie ist weder räumlich noch zeitlich
begrenzt, sie ist universal. Aber diese Universalität der
Liebe schließt ihre Absonderung, ihre Abgeschiedenheit
und Isolierung nicht nur nicht aus, sondern setzt sie
sogar voraus. Denn die Liebe hat das Heiligtum der Seele
zu ihrer Wurzel und ist nur insoweit möglich, als dieses
Heiligtum lebendig ist. Das Kleinod der Seele behüten,
heißt die Liebe selbst behüten; sein Heiligtum vernachlässigen,
heißt die Liebe selbst vernachlässigen. Die Liebe
ist nicht nur universal, sondern auch begrenzt; sie ist nicht
nur unermeßlich, sondern auch abgeschlossen. Das vom Herrn
selbst darüber gesagte Wort läßt man jetzt nicht
gelten und erachtet es als hart und grausam; aber, was am merkwürdigsten
ist, es steht in der "Mutter aller Bücher" - im
Evangelium - unmittelbar nach dem Wort vom Nichtrichten
des Nächsten und dem Gleichnis vom Balken und vom Splitter
im Auge. "Du Heuchler zieh am ersten den Balken aus deinem
Auge; darnach siehe zu, wie du den Splitter aus deines Bruders
Auge ziehest!" (Matth. 7, 5) Und mit diesem Gedanken begegnet
sich antithetisch, als richte sich Spitze gegen Spitze: "Ihr
sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt
ihr nicht vor die Säue werfen, auf daß sie dieselben
nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und
euch zerreißen." (Matth. 7, 6) Als erläutere
er diesen Ausspruch, lehrt uns der hl. Serafim von Sarow: "Was
das Beste im Herzen ist, das sollen wir ohne Notwendigkeit nicht
an den Tag legen; eröffne nicht allen das Geheimnis deines
Herzens."
Also: einerseits "richte nicht", aber anderseits "halte
jene für Hunde und Schweine", welche nicht würdig
sind, das Geheimnis deines Herzens zu erfahren. Eröffne
es nur einigen Auserwählten, die aus der Schweineherde ausgesondert
sind. Das ist eine Antinomie, aber diese Antinomie ist fast gleichbedeutend
mit der Antinomie Liebe-Eifersucht.
[...]
Aus der gegebenen Analyse des Begriffs der Eifersucht
ist ihre engste Verbindung mit der Überwindung des Identitätsgesetzes,
dieses Grundpfeilers des Verstandes ersichtlich. Hieraus ist
begreiflich, warum die Eifersucht sogar in ihren reinsten Manifestationen
den scheelen Blick der Mißgunst seitens des Verstandes
auf sich zieht, warum der "gesunde Verstand" und dessen
blutsverwandte Tochter, der Spott, sich so gerne über die
Eifersucht lustig machen, sogar wenn letztere in abstracto, im
Prinzip genommen wird. Wie die Liebe, so kämpft auch die
Eifersucht - die andere Liebe - mit dem Verstand, indem beide
durch ihren Andrang seinen Hauptteil, das Identitätsgesetz,
durchbrechen. In diesem Sinne ist die Eifersucht tief ungerecht.
Wenn die Unbesonnenheit der Eifersucht ihr den intellektuellen
Tadel als einer "Ungereimtheit" zuzieht, so fordert
diese Ungerechtigkeit der Eifersucht ihrerseits ihre gereizte
moralische Bewertung als einer "unsittlichen"
Erscheinung heraus. Das ist ein weiterer Grund für die Verdunkelung
des hier zergliederten Begriffs der Eifersucht.
[...]
[Übersetzung
Nikolai von Bubnoff]
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