[...]
Die Erkenntnis der Wahrheit, d.h. der Wesenseinheit der Hl. Trinität
vollzieht sich durch die Gnade des Heiligen Geistes. [Entsprechend
des Originals hat das Wort "Geist" dreifache Bedeutung:
1. Geist = Geist im gewöhnlichen Sinn, 2. Geist
= göttlicher Geist, 3. GEIST = Heiliger Geist als Hypostase.]
Das ganze asketische Leben, d.h. das Leben in der Wahrheit, wird
vom Heiligen Geist gelenkt. Für den Vollbringer des Wahrheitswerkes
erscheint als nächste und intimste die dritte Hypostase
der Hl. Trinität. Er ist es, der "Geist der Wahrheit"
(Joh. 12, 26), welcher in dessen Seele selbst vom Herrn,
d.h. von der Wesenseinheit, zeugt; er lehrt, "was
man allen denen sagen muß", welche außer ihm
sind und darum den Herrn, d.h. die Idee der Wesenseinheit,
verfolgen (Luk. 12, 11-12). Aber nichtsdestoweniger vergoldet
das Wissen um den GEIST als Tröster, die Freude über
den Tröster nur die obersten Gipfel der Trübsal; also
lächeln die Rosen der im Laufe des Tages müde gewordenen
Sonne auf den, Schneegipfeln des Kaukasus. Nur am Ende des dornigen
Pfades sind die rosigen Wolken der geläuterten Kreatur und
der schneeweiße Glanz des heiligen, verklärten Fleisches
sichtbar.
Nur am Ende... So ist es im persönlichen Leben eines jeden,
so auch in dem allgemeinen Leben der Menschheit. Solange
die Menschheit nicht mit festem Fuße den Pfad der Rettung
betreten hatte, hat der Herr sie gestützt. Damals wurde
der Trübsal nicht gedacht; aber die Trübsal war schon
im Keime da, sie bereitete sich vor. "Wie können die
Hochzeitleute Leid tragen, so lange der Bräutigam bei ihnen
ist? Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam
von ihnen genommen wird; alsdann werden sie fasten." (Matth.
9, 15)
Wohl wird ihnen die Braut auch zu Beginn des asketischen Werkes
mit einem zärtlichen Kuß begegnen. Wohl erbebte auch
das apostolische Christentum in der Fülle der Freude. Doch
ist dieser Kuß, diese Freude nur die Verlobung. Auf einen
langen Weg voller Qualen wird sie gegeben - nicht auf Grund der
Würdigkeit, sondern zum Zweck der Rüstigkeit.
Der herrliche Augenblick erstrahlte in blendendem Lichte und
... schon scheint er nicht mehr zu sein. Der Herr schied
von der Erde und von allem, was Er durch sein Leuchten unmittelbar,
sichtbar auf ihr überwand. Er ist mit uns; aber auf menschliche,
irdische Weise ist Er nicht mit uns. So ist es auch im persönlichen
Leben, am Anfang des asketischen Weges, wenn eine große,
unaussprechliche Freude unverdient und unvermutet die Seele erfaßt.
Sie wird - wie auch das zur Ernährung und Stärkung
verliehene heilige Fleisch und das heilige Blut Christi - "zur
Verlobung mit dem zukünftigen Reich", zur Verlobung
mit der Vergeistigung und Erleuchtung des ganzen Wesens gegeben.
So ist es - ich wiederhole es - an Anfang des Weges. Und unetidlich
freudig ist' dieser Anfang; so unerklärlich gut ist das
Damals, daß die Menschheit, indem sie des süßen
Abschieds gedenkt, sogar in der Erinnerung der schnell vorübereilenden
Vision die Kraft zur Überwindung der Hindernisse
findet; durch Träume von der ersten Verliebtheit verjagt
der Asket die schwarzen Gedanken der täglichen Mühsal
und die Langeweile und Schwermut des grauen alltäglichen
Lebens.
Aber im allgemeinen, im Durchschnitt und fürs Gewöhnliche
gilt sowohl vom persönlichen Leben des Christen, abgesehen
von dessen höchsten Erhebungen, und für das alltägliche
Leben der Kirche - die Auserwählten des Himmels ausgenommen
-, daß sie den Heiligen Geist wenig, undeutlich und
unklar als Person kennen. Damit aber ist auch das mangelhafte,
nicht immerwährende Wissen von der himmlischen Natur der
Kreatur verbunden.
Es kann auch nicht anders sein. Das Wissen um den Heiligen Geist
würde eine vollständige Geistträgerschaft,
eine vollständige Vergottung der gesamten Kreatur,
eine vollendete Verklärung geben. Alsdann wäre
die Geschichte zu Ende; alsdann wären die Fristen erfüllt;
in der ganzen Welt gäbe es dann keine Zeit mehr. Ich wiederhole:
das ist die Vollendung, die zu sehen der das Verborgene schauende
Adler für würdig erachtet wurde: "Und der Engel,
den ich sahe stehen auf dem Meer und auf der Erde, hob seine
Hand auf gen Himmel und schwur bei dem Lebendigen von Ewigkeit
zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darinnen ist,
und die Erde und was darinnen ist, und das Meer und was darinnen
ist, daß hinfort keine Zeit mehr sein soll; sondern
in den Tagen der Stimme des siebenten Engels, wenn er posaunen
wird, so soll vollendet werden das Geheimnis Gottes, wie
er hat verkündiget seinen Knechten und Propheten."
(Offenb. 10, 5-7) Das wird sein am Ende der Geschichte, wenn
der Tröster sich offenbaren wird.
Aber solange die Geschichte ihren Lauf hat, bis dahin sind nur
Momente und Augenblicke der Erleuchtung durch den Geist möglich;
bis dahin kennen nur einzelne Menschen im einzelnen Momenten
und Augenblicken den Tröster; und sie erheben sich dann
über die Zeit - in die Ewigkeit -, "für sie ist
keine Zeit mehr", und die Geschichte ist für sie zu
Ende. Die Fülle des Erwerbens ist den Gläubigen als
einer Totalität unzugänglich, sie ist es auch dem einzelnen
Gläubigen in der Totalität seines Lebens. Die Kreatur
hat sich Christi Sieg über den Tod und die Vergänglichkeit
noch nicht angeeignet, noch nicht völlig zu eigen gemacht;
also gibt es auch noch keine Fülle des Wissens. Wie die
heiligen unverweslichen Reliquien der Asketen ein Pfand des Sieges
über den Tod, d.h. Offenbarungen des Geistes in der körperlichen
Natur sind, so sind auch die heiligen geistigen Erleuchtungen
ein Pfand des Sieges über den Verstand, d.h. Offenbarungen
des Geistes in der seelischen Natur. Aber soweit es keine Auferstehung
gibt, soweit gibt es auch keine völlige vernünftige
Erleuchtung durch den Heiligen Geist. Die Behauptung, daß
ein vollkommenes Wissen und eine vollkommene Reinigung des Fleisches
erreicht seien, ist Usurpation - die Usurpation Simon des Zauberers,
des Mani, des Montanus, der Chlysten [Russische Sekte, ähnlich
den Geißlern] und tausend anderer ihnen gleichen falschen
Geistträgern, welche vom Geist gelogen haben und lügen.
Das eben ist die Entartung der gesamten menschlichen Natur, welche
als "Verführung" bezeichnet wird.
Ja, der Heilige Geist wirkt in der Kirche. Aber sein Erkennen
war immer entweder ein Pfand oder eine Belohnung in besonderen
Augenblicken und in Ausnahme-Menschen; und so wird es bleiben,
bis alles "vollendet" sein wird. Bei der Lektüre
der Kirchenliteratur muß eine Erscheinung die Aufmerksamkeit
auf sich lenken, welche zunächst sonderbar scheint, aber
deren Notwendigkeit im Lichte der obigen Überlegungen offenbar
wird. Die Heiligen Väter und die mystischen Philosophen
reden nämlich von der Wichtigkeit der Idee des Geistes in
der christlichen Weltanschauung, aber fast keiner von ihnen fördert
dabei etwas Klares und Entschiedenes zutage. Es ist unverkennbar,
daß die Heiligen Väter für sich irgend etwas
wissen; aber noch unverkennbarer ist, daß dieses Wissen
so tief verborgen, so "unkündbar", so unaussprechlich
ist, daß sie nicht die Kraft haben, ihm einen deutlichen
Ausdruck zu verleihen. Das bezieht sich hauptsächlich auf
die Dogmatiker, weil sie bestimmt und über das Wesen der
Sache reden müssen; gerade sie zeigen sich aber beinahe
stumm oder verwickeln sich offenkundig in Widersprüche.
Es genügt, an das "binitarische System" des Hermas
aus dem zweiten Jahrhundert und des Verfassers der zweiten pseudo-klementinischen
Epistel an die Korinther zu erinnern: hier wie dort wird der
Heilige Geist geradezu mit der Kirche verwechselt. Oder man denke
auch noch an das System Tertullians aus dein dritten Jahrhundert,
in welchem der Geist von dem Wort so unklar abgegrenzt ist, daß
er von diesem fast ununterscheidbar ist und oft statt seiner
genannt wird.
[...]
Das Zeitalter der stereotypen, mehr oder weniger verbreiteten
Glaubenslehren, in welchem das Dogma vom Heiligen Geist nur flüchtig
im Wort befestigt wurde und nur insoweit, als die schöpferische
Tätigkeit des Geistes mit einer ebensolchen des Vaters und
des Sohnes verbunden wurde, ist von einem Zeitalter abgelöst
worden, in welchem die für den Sohn gefundenen Begriffe
auf den Heiligen Geist angewandt wurden. Es ist aber bemerkenswert,
daß die persönliche Eigentümlichkeit der Dritten
Hypostase nur formal durch den Ausdruck ecpooensiV, "Ausgehen", gekennzeichnet
wurde, jedoch ohne konkreten Inhalt blieb.
Und das dauerte so fort. Das theologische Rezept, von dem Geiste
nach dem Vorbild dessen zu reden, was von dem Wort gesagt ist,
d. h. im Grunde genommen einen Schattenumriß des Wortes
zu entwerfen, herrschte so oder anders in den orthodoxen Kreisen,
obwohl gleichzeitig in den Wüsten von Thebaïs und Palästina
der Geist einzelnen Heiligen, diesen fast übermenschlichen
Gipfelpunkten der Kirche, erschien, und durch sie, durch ihre
Seele und ihren Leib, auch ihrer Umgebung. Die nichtorthodoxen
Kreise aber verfielen einer offenkundigen Irrlehre, wenn sie
versuchten, den Tröster mit Gewalt zu erkennen, ihn, den
Geist der Freiheit, in den Käfig philosophischer Begriffe
einzusperren. Anstatt des Geistes erfaßten sie verführerische
pseudo-mystische Erlebnisse der Seele, welche sich in den dämmrigen
Untergrund der Dinge versenkt hatten und sich an die dunklen
Kräfte wie an Engel des Lichtes klammerten. Damit wurde
noch einmal bewiesen, daß außerhalb des asketischen
Werks und der Übung der Geist nur negativ erkannt wird.
Die Mystiker der späteren Zeiten, welche sich immer lebhaft
für die Pneumatologie interessierten, waren in keiner besseren
Lage. Nachdem sie in Worten die Hypostasen des Geistes und des
Sohnes unterschieden hatten, identifizierten sie diese meistenteils
in Wahrheit, weil sie dein Heiligen Geiste alles das zuschrieben,
was schon vom Sohne gesagt war und außerdem den Geist mit
der Sophia verwechselten.
Worin besteht denn die Eigenart des Heiligen Geistes? - Davon
hat man allzuviel gesprochen, aber allzuwenig gesagt. Basil der
Große bekennt, daß "das Bild vom Ausgehen unerklärlich
bleibt", und er macht infolgedessen gar keinen Versuch einer
Erklärung. Es ist bemerkenswert, daß Markus von Ephesus,
der berühmte Verteidiger der Orthodoxie gegen katholische
Anfechtungen, gegen die Versuche, das Dogma zu rationalisieren
und gewaltsam als Phitosophem das zu erklären, was der Philosophie
nicht untersteht -, auf dessen Grabstein Georgius Scholarius
das Epitaph einritzte: "Bischof der Ephesier, Leuchte des
ganzen Landes, Feuer, welches die Ketzereien verbrennt, wegweisendes
Licht für die frommen Seelen" -, daß eben dieser
Markus von Ephesus an die "orthodoxen Christen" schreibt:
"Wir aber sprechen mit Justinus dem Philosophen und Märtyrer,
daß wie (wV) der Sohn vom Vater,
so (outw) auch der Heilige
Geist vom Vater; jene aber - die Graeco-Lateiner - sprechen mit
den Lateinern, daß der Sohn unmittelbar (ameswV), der Heilige Geist mittelbar (emmeswV) vom Vater sei;
wir, mit dem Damaszener und allen heiligen Vätern, kennen
keinen Unterschied zwischen Geborenwerden und Ausgehen; -
jene aber unterscheiden mit Thomas und den Lateinern, zwei Arten
des Ursprungs - den mittelbaren und den unmittelbaren."
Übrigens ist das nicht das einzige Zeugnis; man kann eine
Menge ähnlicher Behauptungen anführen. So kann z.B.
auf den hl. Gregor von Nyssa hingewiesen werden, der vom "unbegreiflichen
Ausgehen des Heiligen Geistes" spricht.
Die theosophische Spekulation sprach sich entweder nicht völlig
aus oder verwickelte sich bei der Unterscheidung des Geborenwerdens
und des Ausgehens in Widersprüche, wenn sie nicht gar zum
katholischen Filioque ihre Zuflucht nahm - diesem naiven Erzeugnis
einer überflüssigen Frömmigkeit und einer unfertigen
Theologie. Lohnt es sich, "Namen" zu nennen? Lassen
wir das; mögen die Erfinder verschiedener Theorien über
den Heiligen Geist friedlich unter der Erde ruhen bis zu der
Zeit, wenn sich diese Fragen von selbst, ohne Anstrengungen unsererseits,
lösen werden. Es wäre allzu naiv, die Ursache dieser
zweitausendjährigen Unausgesprochenheit in dem mangelhaften
Scharfsinn der Theologen zu erblicken. Und handelt es sich denn
um Scharfsinn, wenn vom Glauben die Rede ist? "Ex nihilo
nihil" bezieht sich mehr als auf irgend etwas anderes auf
die Theologie - eine Erfahrungswissenschaft. Wenn es jetzt
keine vollständigen Wahrnehmungen des Heiligen Geistes als
Hypostase, wenn es keine persönlichen Pneumatophauien gibt
- abgesehen von den Ausnahmefällen bei den Ausnahmemenschen
-, so kann man auch keine Formeln prägen, weil Formeln auf
dem Boden des allgemeinen, alltäglichen Kirchenlebens erwachsen,
auf dem Boden allgemeiner, immer wiederkehrender Erscheinungen,
nicht aber zur Anwendung auf vereinzelte, besondere Punkte des
geistigen Lebens. Wohl ist in der hl. Kirche alles ein Wunder:
das Sakrament ist ein Wunder, das Gebet bei der Wasserweihe ist
ein Wunder, jede Ikone ist ein Wunder und jeder Kirchengesang
ist gar nichts anderes als ein Wunder. Ja, alles in der Kirche
ist ein Wunder, denn alles in ihrem Leben ist gnadenreich, die
göttliche Gnade ist aber das einzige, was des Namen des
"Wunders" verdient.
Aber das alles ist ein immerwährendes Wunder; es gibt indessen
auch seltenere Vorgänge in der Kirche, "Wunder"'
im üblicheren Sinn dieses Wortes, und je seltener sie sind,
um so schwerer lassen sie sich durch ein Wort zum Ausdruck bringen:
für solche Wunder kann man keine Formeln schaffen, denn
jede Formel ist eine Formel der Wiederholbarkeit. Mit Ausnahme
gewisser einzelner Momente, in denen die Gläubigen gemeinsam
- das eben ist das Wesentliche - im Heiligen Geiste waren oder
anfingen, in ihm zu sein, ist dieses zu keinem alltäglichen
Geschehen des Lebens geworden.
In jenen Gemeinden und Vereinen aber, in welchen das Erlebnis
des Geistes als Norm erklärt wurde, entstand unvermeidlich
das Chlystentum. Diese Bezeichnung wird hier im weiteren
Sinne eines pseudo-geistigen Enthusiasmus und ein er pseudo-mystischen,
seelischen (nicht geistigen) Erregung einer Gesamtheit
von Menschen, die die gottesdienstlichen Bräuche verrichten,
verstanden.
Werfen wir einen Blick auf die kirchenväterlichen Schriften,
insbesondere auf die asketischen, in denen das geistige Leben
am klarsten dargestellt ist. Wir werden dann eine typische Erscheinung
wahrnehmen: vom Vater wird wenig gesprochen, vom Sohne Gottes
ziemlich viel, am meisten aber vom Heiligen Geiste. Und doch
kann man sich bei alledem von dem Eindruck nicht losmachen, daß
die heiligen Asketen den Sohn Gottes als selbständige Hypostase
sehr genau ken-nen, und daß Er ihrem Bewußtsein so
nah ist, daß Er selbst den Vater ein wenig in den Schatten
stellt; auch vom Vater wissen sie, aber vom Heiligen Geist als
Hypostase wissen sie wenig, fast gar nichts. Wenn die Dogmatiker
unter den Kirchenvätern durch ihre Unentschiedenheit oder
durch ihr Schweigen ihre innerliche Unsicherheit in der Frage
vom Heiligen Geist, ihr mangelhaftes Wissen von Ihm bekunden,
so offenbaren die asketischen Väter durch ihren Wortreichtum
denselben Bewußtseinszustand noch klarer. Für sie
ist der Heilige Geist - praktisch, lebensmäßig - der
"Geist Christi", der "Geist Gottes" - eine
heiligende und läuternde unpersönliche göttliche
Kraft. Nicht umsonst fing man später unmerklich und
allmählich an, anstatt vom Heiligen Geist von der "Gnade",
d.h. von etwas völlig Unpersönlichem, zu sprechen.
Bekannt ist gewöhnlich nicht der Heilige Geist, sondern
Seine gnadenreichen Energien, Seine Kräfte, Seine Wirkungen
und Tätigkeiten. "Geist", "geistig",
"geistträgerisch", "Geistigkeit" usw.
sind Ausdrücke, welche in den kirchenväterlichen Schriften
immer wiederkehren. Aber eben aus diesen Schriften ist ersichtlich,
daß diese Worte "Geist", "geistig"
usw. sich auf bestimmte von Gott bewirkte Zustande des Gläubigen
beziehen, aber gar nicht oder fast gar nicht auf das persönliche,
selbständige Sein der Dritten Hypostase der Heiligen Trinität.
Im Grunde genommen reden die heiligen Väter oft nicht vom
HEILIGEN GEIST, sondern vom heiligen Geist, und es ist schwierig,
eine Grenze zu ziehen und zu bestimmen, wann sie vom GEIST und
wann vom Geist reden. Der allgemeine Eindruck ist der, daß
bei ihren vom Geist durch Vermittlung des GEISTES ein unmerklicher
Übergang zum Geist stattfindet. Freilich, vom Geiste stammt
unsere Geistigkeit so wie vom Sohne unsere Kindschaft zu Gott
und vom Vater unsere schöpferische Persönlichkeit.
Aber wird denn jemandem, welcher die Schriften der heiligen Väter
liest, in den Sinn kommen, zu zweifeln oder im Ungewissen zu
sein - wenn auch nur bei sich selbst -: ob an dieser oder jener
Stelle vom SOHNE oder vom Sohne, vom SCHÖPFER oder vom Schöpfer
die Rede sei?
Die Kirchenväter haben ferner, um die Wesenseinheit des
Geistes mit dem Vater und mit dem Sohne zu beweisen, auf die
Übereinstimmung der sündeläutern den Tätigkeit
des Heiligen Geistes mit der Tätigkeit des Sohnes hingewiesen.
Es hat demnach sogar in der Wahrnehmung der gnadenreichen
Wirkungen beider für die heiligen Väter keine deutliche
Grenze bestanden. In dieser Hinsicht unterschieidet sich Makarjus
der Große wenig von Isaak dem Syrer, Johannes Klimakos
wenig von Ephraim dem Syrer. Natürlich vergröbere und
vereinfache ich die Sachlage; natürlich ziehe ich einen
Umriß, und zwar nicht mit einem Bleistift, sondern mit
einem Malerpinsel; natürlich ist das hier Gesagte bei weitem
nicht alles. Unstreitig treten bisweilen Züge eiues
anderen Wissens hervor: die persönliche Wahrnehmung des
Heiligen Geistes; aber diese Züge sind vorläufige,
nicht völlig ausgeprägte. Es wäre übrigens
lächerlich, in dieser Unvollendetheit einen persönlichen
Mangel der Heiligen zu erblicken, eine Folge ihrer ungenügenden
Tiefe und Reinheit. Aus dem dunklen Abgrund der Jahrhunderte,
aus dem Nebel der Geschichte leuchten uns die heiligen Väter
wie lebendige, unvergängliche Sterne, wie gottschauende
Augen der Kirche entgegen. Aber die Zeit ist noch nicht gekommen,
und so konnten sogar diese lichten Augen jenen nicht erschauen,
der der gesamten Kreatur Freude und Trost bringen wird. Die Fristen
waren damals nicht erfüllt, wie sie auch heute nicht erfüllt
sind. Die Heiligen verzehrten sich in Sehnsucht und warteten,
wie die alttestamentlichen Gerechten der Erkenntnis des Sohnes
Gottes harrten. Das gesamte Leben des vorchristlichen Altertums
- Religion, Wissenschaft, Kunst, Gemeinwesen, sogar persönliche
Stimmungen - gründete sich restlos auf die Offenbarung des
Vaters, auf das Erleben des Vaters, des Schöpfers aller
Dinge, auf den bewußten oder halbbewußten Bund mit
Ihm. Die gesamte Welt- und Lebensauffassung war die Entwicklung
einer Kategorie - der Kategorie der Vaterschaft, der Geburt oder
wie man sie immer nennen mag. Und es ist geradeso unmöglich,
die unklaren Züge ihres Wissens zur Ausprägung zu bringen,
wie es unmöglich ist, aus einer mangelhaft exponierten photographischen
Platte ein Bild herauszuholen; wenn man sie über eine bestimmte
Zeit hinaus in dein Entwicklungsbad hielte, dann würde sich
das ganze Bild nur "verschleiern", sich gleichsam mit
einem grauen Nebel überziehen. Gerade so "verschleiert"
sich auch der Gedanke, welcher den Geist ohne Heiligkeit wahrnehmen
will. Das geschieht auch, beiläufig gesagt, mit den Menschen
des "neuen Bewußtseins".
Nach Maßgabe der Annäherung des Endes der Geschichte
erscheinen auf den Gipfeln der Heiligen Kirche neue, bisher fast
nie gesehene rosafarbene Strahlen des kommenden, nicht-verlöschenden
Tages. Schon Simeon der Neue Theologe redet irgendwie anders,
schlägt gewisse neue Töne an im Vergleich zu den alten
Asketen. In unserer örtlichen Kirche "spielen"
diese Töne gleich der aufsteigenden Sonne am Fest der Feste.
Der hl. Serafim von Sarow und die großen Greise vom Optinschen
Kloster, Leo, Leonidas und Makarius, besonders aber Ambrosius
sammeln das Volksheiligtum in sich wie in einem Brennpunkt.
Sie sind halbwegs Heilige, schon keine Mönche mehr
im engeren Sinne des Wortes. Durch sie wird der Kommende wie
durch Ferngläser sichtbar. Ihre ganze Schattierung hier
ist neu, eigenartig, apokalyptisch. Nur Blinde sehen das nicht.
Es ist Leichtsinn oder Wahnsinn, ihnen nicht zu folgen,
sondern an ihnen vorüber zu gehen, weil dies das
eigen willige Streben bedeuten würde, den von Ewigkeit her
vorgezeichneten Lauf der Weltgeschichte abzukürzen. Es würde
eine Zurückweisung des Wortes des Herrn Jesus bedeuten:
"Wer ist unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen
möge, ob er gleich darum sorget." (Matth. 6, 27 = Luk.
12, 25)
Aber habe nun acht: unsere ganze Lebensauffassung, unsere
ganze Wissenschaft - ich spreche nicht von der theologischen
Wissenschaft, sondern von der Wissenschaft überhaupt, von
dem wissenschaftlichen Geist - ist völlig auf die Idee des
Logos, auf die Idee Gottes = des Wortes aufgebaut - ja, nicht
nur die Wissenschaft, sondern das ganze Leben, das ganze
Gefüge unserer Seele. Wir denken alles unter der Kategorie
des Gesetzes, durch das Maß der Harmonie. Diese
Idee des Logischen, des Logismus, der "Wörtlichkeit",
welche oft bis zur Unerkennbarkeit entstellt wird, ist der Hauptnerv
alles Lebendigen, alles Echten in unserem intellektuellen, sittlichen
und ästhetischen Leben. Das eine, universale, allumfassende
allgemeine "Gesetz" der Welt, der hypostatische Name
des Vaters, die Göttliche Vorsehung, ohne deren Willen kein
Haar vom Haupte fällt, welche die Lilien auf dem Felde wachsen
läßt und die Vögel unter dein Himmel nährt,
Gott, der sich durch das Erschaffen und Ordnen der Welt erschöpft
- das ist die religiöse Voraussetzung unserer Wissenschaft,
und außerhalb dieser Voraussetzung, die mehr oder welliger
abstrakt formuliert wird, gibt es keine Wissenschaft.
Die "Gleichförmigkeit der Naturgesetze" - das
ist das Postulat, ohne welches die gesamte Wissenschaft leere
Sophistik ist; aber dieses Postulat kann zu einer psychologischen
Realität nur bei dem Glauben an jenes Wort gemacht werden,
welches der das Verborgene schauende Adler in den ersten Versen
seiner Osterbotschaft kündet: "Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war
im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und
ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war
das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das
Licht scheinet in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht
begriffen." (Joh. 1, 1-5) Das sind die "Grundlagen
der Wissenschaft", und wenn wir sie zurückweisen, so
ist eine grausame Vergeltung unvermeidlich: der Sturz der Wissenschaft,
die auf schwankendem Sande errichtet ist, in dem man versinkt.
Die universale Gesetzmäßigkeit, der harmonische und
wohlgefügte Aufbau der Welt, der cosmoV der Kreatur
sind Besitz der Wissenschaft. Dieses Weltgesetz diese Weltzahl,
diese Harmonie der Sphären, die dem kreatürlichen Sein
gegeben ist, wurzelt ganz und gar in Gott = dem Worte, in der
persönlichen Besonderheit des Sohnes und in den ihm eigentümlichen
Gaben.
Was sich aber nicht auf diese Besonderheit stützt, was mit
den ausdrücklichen Gaben des Heiligen Geistes verbunden
ist, das unterliegt nicht der Kompetenz unserer Wissenschaft
- der Wissenschaft des für sich allein genommenen Logos.
Die Inspiration, das Schaffen, die Freiheit, das asketische Werk,
die Schönheit, der Wert des Fleisches, die Religion und
vieles andere wird nur unklar geahnt, bisweilen beschrieben,
in seinem Vorhandensein festgestellt, steht aber außerhalb
der Methoden und Mittel der wissenschaftlichen Forschung, denn
deren Grundvoraussetzung ist natürlich die Voraussetzung
des Zusammenhangs, die Voraussetzung der Stetigkeit, der Allmählichkeit.
Die Idee der Gesetzmäßigkeit in der bestehenden Form
ist auf alles derartige entschieden unanwendbar. Hier ist Diskontinuität;
die Diskontinuität geht aber über die Grenzen unserer
Wissenschaft hinaus, reimt sich nicht mit den Grundideen der
zurzeit herrschenden Weltanschauung und zerstört sie. Vielleicht
weisen auch die modernsten Forschungen und Strömungen auf
dem Gebiete der Idee der Diskontinuität eben auf diese Nähe
des Endes hin.
Das einseitige Erkennen der Ersten Hypostase erschuf die Religion
und das Leben des Altertums, seine "substantielle",
organische Weltanschauung, in der die unmittelbare Erzeugung
der phänomenalen Wirkung durch ihre metaphysische Ursache
gedacht wird.
Das einseitige Erkennen der Zweiten Hypostase brachte die Religion
und das Leben der Neuzeit hervor, ihre "gesetzmäßige",
logische Weltanschauung, die es auf das Ordnen der Erscheinungen
durch ihre ideale Form abgesehen hat.
Und schließlich sind das Streben nach Schönheit, die
Liebe zum Ziel, Abweichungen von der Wissenschaftlichkeit,
welche typologisch ein unsterbliches und heiliges Leben, das
auferstandene Fleisch voraussagen. Die hl. Fasten sind Anfänge
einer Verklärung des Leibes; die heiligen Reliquien, die
wir küssen, sind Lichtstrahle der Auferstehung; die hl.
Sakramente sind Quellen der Vergottung. Das sind die Pfänder
des zukünftigen Reiches, die Verlobungen mit ihm. Aber dieses
Reich wird für die Persönlichkeit und für die
Gemeinschaft nur dann eintreten, wenn der Tröster als Hypostase
erkannt und durch diese Erkenntnis die "Dreifaltige Einheit",
welche die Seele erleuchtet, erfaßt werden wird.
Das heilige, ehrwürdige, geheimnisvolle Wesen der Wissenschaft
des Altertums; die sittliche, erhabene Strenge der modernen Wissenschaft;
endlich das freudige, leichte Beflügeltsein der kommenden
"fröhlichen Wissenschaft"...
Mein Beflügelter! Ich zeichne Gedanken auf, die ich mehr
fühle, als daß ich sie aussprechen könnte. Es
ist, als werde in den Grundlagen der Welt ein Gewebe, gleichsam
ein Leib aus den feinsten Strahlen der Sterne geflochten: man
wartet auf irgend etwas. Es fehlt an irgend etwas,
nach irgend etwas sehnt sich die Seele, die frei werden
und mit Christo sein will. Und irgend etwas wird sein:
"es ist noch nicht erschienen, was sein wird". Aber
je deutlicher das Sich-vorbereitende fühlbar wird,
um so inniger und blutsverwandter wird das Band mit der Mutter
Kirche, um so leichter und einfacher ist es, aus Liebe zu ihr
all den Unrat zu ertragen, mit welchem sie beworfen wird. Was
sein wird, wird in Ihr und durch Sie sein, nicht anders. Mit
stiller Freude warte ich auf das, was sein wird, und das "Nun
lässest du deinen Diener in Frieden fahren" singt und
klingt tagelang im befriedeten Herzen. Wenn jenes eintreten
wird, dann wird sich das Große Universale Ostern offenbaren,
dann werden alle menschlichen Streitigkeiten ein Ende haben.
Ich weiß nicht, ob das bald sein wird, oder ob noch jahrmillionenlang
gewartet werden muß, aber mein Herz ist ruhig, weil die
Hoffnung nahe an jenes heranführt. Das Streben der
Menschen des "neuen religiösen Bewußtseins",
den Heiligen Geist gewaltsam zu erfassen, ist mir in hohem Grade
fremd. In dem unabänderlichen Wunsche, die Zeiten und Fristen
aufzulösen, hören sie auf, das zu sehen, was vor ihren
Augen ist, was ihnen gegeben ist, und was sie innerlich nicht
wissen noch begreifen; indem sie allem nachjagen, gehen
sie dessen verlustig, was ist, und über dessen Maß
hinaus wir außerstande sind, uns etwas anzueignen,
da unser Herz, das Herz der Kreatur, noch nicht lauter ist und
in seiner Unreinheit bei einer Annäherung an das Reinste
und Heiligste verbrennen würde. Möge ihnen - diesen
Menschen eines falsch gerichteten Wissens - wenigstens für
kurze Dauer - die Ruhe wiederkehren, und dann werden sie vielleicht
sehen, daß sie keinen festen Boden unter den Füßen
haben, daß sie hohle Worte reden und später selbst
an sie zu glauben anfangen. Ihnen widerfährt das gleiche
wie Lew Tolstoj: er selbst erschuf das Schema -! - einer
der Gnade baren, vermeintlichen Kirchlichkeit, zerschlug es dann
- was ihm natürlich mühelos gelang - und entfernte
sich, befriedigt von seinem Sieg über die Chimäre,
welche sein durch und durch rationalistischer, sich selbst bejahender
Verstand erzeugt hatte, von dem gnadenreichen, wiewohl verunreinigten
Boden in die Wüste "schöner" Worte, mit denen
er selbst nicht fertig werden kann und andere verwirrt. Die Kirchlichkeit
ist so herrlich, daß der ihrer Teilhaftige sogar ästhetisch,
durch unmittelbaren Geschmack ein so unausstehliches Beginnen
wie dasjenige Tolstojs nicht ertragen kann. Sein "fünftes
Evangelium" ersinnen - sogar mit Absicht kann man auf keinen
geschmackloseren Gedanken kommen!
Und dennoch liegt sowohl dein Tolstojtum als auch dein "neuen
Bewußtsein" eine wahre Idee zugrunde, nämlich
diese: unsere Vorfahren beteten zum Vater; während unseres
ganzen Zeitalters dagegen betet man hauptsächlich zum Sohne;
wenn man aber auch zum Geiste betet, so doch mehr, indem man
auf ihn harrt, als daß man ihn von Angesicht zu Angesicht
schaute, mehr so, daß man sich nach dem Tröster sehnt,
als daß man sich Seiner vor dem Vater im Sohne freute.
Ich weiß, man kann mancherlei Zitate wider mich zusammenstellen,
welche das Gegenteil behaupten; ich kann sie sogar selbst anführen.
Ich rede aber von dem Typischen, obwohl fast nicht Beweisbaren.
Eben darum schreibe ich dir "Briefe", anstatt einen
"Artikel" zu verfassen, weil ich mich fürchte
zu behaupten, und vorziehe zu fragen. Was mir aber typisch
erscheint - das ist eben die Erwartung, die Hoffnung, aber nur
eine sanfte, friedfertige.
Auch in dem Alten Testament gibt es unzweifelhaft Wort- und Geisterscheinungen
- Logo- und Pneumatophanien; auch dort - besonders im Pentateuch
- kann man unklare Hinweise auf das Wort und auf den Geist finden.
Nichts-destowenigerr sind sie aber so undeutlich und stimmen
mit dem allgemeinen Hintergrund der Schrift so wenig überein,
daß wir nur im Lichte des fleischgewordenen Wortes einen
vernünftigen Sinn in ihnen entdecken können; nur wenn
wir das Dogma der Trinität im Bewußtsein haben, können
wir mit diesem " Auge" in dein Alten Testament die
ersten Lichtstrahlen des zukünftigen Wissens erblicken.
Man mache den Versuch, einen Chinesen auf Grund des Alten Testaments
allein vorn Dogma der Trinität zu überzeugen! Ich bin
sogar nicht sicher, ob man ihm klar machen kann, wann
von dem hypostatischen Wort und Geist die Rede ist und wann
einfach von den Tätigkeiten des Vaters. Für jeden unvoreingenommenen
Leser ist jedenfalls unbezweifelbar, daß die Lehre vom
Wort, geschweige denn vom Geist, in den alttestamentlichen Büchern
unvergleichlich weniger reliefartig hervortritt, als die Lehre
von Gott dem Vater. Und das ist begreiflich, wenn selbst die
Propheten die Fülle der konkreten Erlebnisse des Wortes
und des Geistes nicht hatten. Die neue Offenbarung wurde im besten
Falle nur geahnt. Beachte nunmehr das Neue Testament. Mit welcher
Wucht erhebt sich hier vor jedem die Lehre vom Vater und vom
Sohne, und wie wenig ist im Vergleich dazu die Lehre vom Geist
entwickelt. Die Idee des Geistes löst sich bisweilen in
der Idee der geistigen Gaben fast auf. Die in den Menschen verbleibende
Kraft und Gaben des Heiligen Geistes - ist das nicht bezeichnend?
- verdecken den Geist selbst als Hypostase. Wir sind Geister;
aber nur im GEISTE; indessen wird dieses "aber" oft
genug vergessen. Aber kann man denn sagen, daß die Gotteskindschaft
der Menschen im Sohne Gottes mit dem eigenen Sein des Sohnes
auch nur verglichen werden kann? Während nur die Toren und
die der geistigen Verführung Verfallenen - die Chlysten
jeder Art - den "Sohn" mit dem "SOHN" verwechseln
können, ist es bisweilen sehr leicht, den "Geist"
mit dem "GEIST" zu verwechseln; nicht selten wird die
gleiche Stelle bald so gedeutet, als bezöge sie sich auf
den Geist, bald wieder so, als bezoge sie sich auf den GEIST.
[...]
Wie es vor Christus Christusträger gab, so
gibt es auch vor der vollständigen Ausgießung des
Heiligen Geistes Geistesträger. Jene, die Gerechten
der Vorzeit, "sind gestorben im Glauben und haben die Verheißungen
nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen und sich ihrer
getröstet und wohl genügen lassen und bekannt, daß
sie Gäste und Fremdlinge auf Erden wären. Denn die
solches sagen, geben zu verstehen, daß sie ein Vaterland
suchen" (Hebr. 11, 13-14). Solcher Art waren eben jene frühesten
Christen vor Christus, "welche haben durch den Glauben Königreiche
bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, Verheißungen erlangt,
der Löwen Rachen verstopft, des Feuers Kraft ausgelöscht,
sind des Schwerts Schärfe entronnen, sind kräftig geworden
aus der Schwachheit, sind stark geworden im Streit, haben der
Fremden Heere darniedergelegt. Weiber haben ihre Toten durch
Auferstehung wiederbekommen. Andere aber sind zerschlagen und
haben keine Erlösung angenommen, auf daß sie die Auferstehung,
die besser ist, erlangten. Etliche haben Spott und Geißeln
erlitten, dazu Bande und Gefängnis; sie wurden gesteinigt,
zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie sind umhergegangen
in Schafpelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal,
mit Ungemach (deren die Welt nicht wert war), und sind im Elend
umhergeirrt in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften
und Löchern der Erde. Diese alle haben durch den Glauben
Zeugnis überkommen und nicht empfangen die Verheißung,
darum daß Gott etwas Besseres für uns zuvor ersehen
hat, daß sie nicht ohne uns vollendet würden"
(Hebr. 11, 33-40).
[...]
"Daß sie nicht ohne uns vollendet würden"...
Das erklärt, warum die in der Kirche auftretenden Lehren
vom Heiligen Geist ungeachtet ihrer Tiefe keinen Widerhall fanden
und wenig beachtet wurden. Zugleich aber wurden auch diejenigen
Seiten des christlichen Lebens, die sich hauptsächlich auf
den Heiligen Geist beziehen, nämlich die christliche Freiheit,
die Kindschaft, das Schaffen und das geistliche Wesen vertauscht
oder entstellt, wenn die Ketzer sie vorzeitig und eigenmächtig
ins Leben rufen wollten. Durch die Tat selbst gaben sich
die Menschen des "neuen religiösen Bewußtseins"
vom ersten bis zum zwanzigsten Jahrhundert inklusive stets als
schuldig preis, da die von ihnen gepflanzten Rosensträucher
allemal Dornen und Disteln trugen; das "neue Bewußtsein
erwies sich immer nicht als überkirchlich, wie es sich ausgab,
sondern als wider-kirchlich und wider-christlich, d.h. als die
Kirche bekämpfend, antichristlich. Wer den GEIST in dem
Maße hat, in dem die Heiligen ihn besaßen, erkennt
deutlich den Wahnsinn, mehr zu beanspruchen. Aber bei einem vollständigen
Fehlen der Geistträgerschaft verfielen die Menschen zu allen
Zeiten nur zu leicht einem verführerischen Selbstbetrug
und vertauschten die Geistträgerschaft mit ihrem
subjektiv-menschlichen seelischen Schaffen und dann auch mit
teuflischer Versuchung. Die Ekstase und die Verzücktheit,
der träumerische Prophetismus und die dämmerige Exaltiertheit
wurden für Freude im Heiligen Geist gehalten; zugleich ergriff
die sich selbst überlassene Sünde von der "Freiheit"
Besitz. Ein Suchen "zweier Unendlichkeiten" setzte
ein, nach dem Suchen aber ein Herabsteigen in "beide Abgründe":
in den oberen Abgrund der gnostischen Theorie und in den unteren
Abgrund der Praxis der Chlysten; das eben wurde als Fülle
des gnadenreichen Lebens ausgegeben. Ich wiederhole: der gesamten
Kirchengeschichte parallel zieht sich der Faden dieses pseudo-religiösen
Bewußtseins, welches sich für das "neue"
ausgab.
Eine unparteiische Umschau zeigt, daß es weder für
Spekulationen über den Geist noch für Behauptungen
über ein neues Bewußtsein bei der Menschheit im allgemeinen,
in der Masse, einen festen Boden gibt. Wenn es einen solchen
gäbe, d.h. wenn eine reale Erfahrung des Lebens im Heiligen
Geiste vorhanden wäre, könnte dann wohl in der Kreatur
das geschehen, was gegenwärtig geschieht? ... Auch in der
Tiefe des kirchlichen Bewußtseins hörte das Harren
auf den Tröster nicht auf. Aber außer dem kirchlichen
Exoterismus gibt es eine Art kirchlichen Esoterismus - gibt es
Ahnungen, von denen man nicht allzu offen reden soll. Das eben
begreifen und fühlen manche nicht, weil sie nicht in der
Kirche sind, weil sie den Geist der Kirchlichkeit nicht begreifen.
Sie entblößen, was nicht gezeigt werden darf, da sie
schamlos sind. Eine ununterbrochene Kette häretischer Schamloser
des "neuen Bewußtseins" zieht sich durch die
ganze Kirchengeschichte; eben sie fördert die verborgene
Arterie der Kirche zutage.
[...]
[Übersetzung
Nikolai von Bubnoff]
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