"alles ist im untergrund obenauf"eine auswahl aus KONTEXT 1-7 |
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Herausgegeben
von Torsten Metelka
InhaltUwe Bastian ALTERNATIVE ENERGIEWIRTSCHAFT
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Der Sammelband
dokumentiert ausgewählte Beiträge aus den Heften 1-7,
die ersten beiden Jahrgänge der informellen Zeitschrift
KONTEXT Beiträge aus Politik, Gesellschaft, Kultur. Das
Projekt einer unabhängigen Zeitschrift in der DDR entstand
im Sommer 1987. Als im Februar 1988 dann die erste Ausgabe des
KONTEXT erschien, befand sich das Land gerade inmitten der Auseinandersetzungen
mit dem damaligen Machtapparat, erinnert sei an die Übergriffe
auf die Umweltbibliothek im November 1987 und an die Konfrontationen
im Zuge der Luxemburg/Liebknecht-Demonstration im Januar/Februar
1988.
1 Der Untertitel der jüngst (1988) im S. Fischer Verlag erschienenen Anthologie dürfte weniger einhellig akzeptiert werden - im Westen, weil er manchem zumindest in ästhetischer Hinsicht kreuzbrav-konservativ gestimmten Literaturexperten das vertraute und so handliche Bild von der (im wesentlichen gleichfalls "konservativ", also von konservierenden ästhetischen Vorstellungen geprägten) literarischen DDR-Landschaft kaputt zu machen verspricht - man erspare mir, die Täler und Höhen solchen Gefildes bei Namen zu nennen -; in der DDR möglicherweise außerdem als Signal eines eventuellen "Bruchs" und einer Frontenbildung, welche den Gedanken auch an eine politische "Opposition" nahelegen, die wir bekanntlich auch dann nicht hätten, wenn wir sie hätten. (2) (Um solchen Irrtümern oder Hoffnungen von vornherein vorzubeugen: Diese Anthologie ist keinesfalls ein Sammelplatz etwelcher aktivistischen politisch-artistischen Gegenpartei, nicht einmal der jewtuschenkoschen PARTEI DER PARTEILOSEN; kein Krawczyk, kein Rathenow: Sie ist nur insofern politisch, als jegliches ästhetische Scharmützel selbstverständlich auch seine politischen Bezüge bzw. Hintergründe hat.) - Kurzum, es wird das Beste sein, sich neuerlich zu einer west-östlichen Chorprobe unter der Stabführung Stefan Hermlins zu vereinigen: Vermutlich sei das keine "andere", sondern überhaupt keine Literatur, bestenfalls irgendetwas "Vorliterarisches" (im Unterschied etwa zu den Werken Ulla Hahns dort, Eva Strittmatters hier.) Der Rezensent, in den Traditionen solcher korinthen-kackerischen quasi literarhistorischen Grundsatzentscheidungen "aufgewachsen" will gestehen, daß auch er den Untertitel zunächst als unter Umständen werbewirksamen Gag verdächtigt hat; nicht zu lange... Er wußte es ja vorher und sieht es nach einigen Anfangsschwierigkeiten bei der Lektüre bestätigt, was für Christoph Hein in einem Brief an Elmar Faber noch grüblerische Vermutung bleibt: "Hier trennen uns möglicherweise nicht nur verschiedene Ästhetik, sondern überdies andere Erfahrungen..." (SINN UND FORM 3/88). Ich wußte es vorher: Bert Papenfuß-Gorek (geb. 1956 in Stavenhagen), Rainer Schedlinski (geb. 1956 in Magdeburg), Sascha Anderson (geb. 1953 in Weimar), Stefan Döring (geb. 1954 in Oranienburg) und ihre Kompatrioten aus der Generation der heute Dreißig- bis Fünfunddreißigjährigen (re)präsentieren zweifellos eine "andere" DDR-Literatur, um die Bezeichnung noch zu verschärfen (und weil mich gerade wieder einmal der Teufel reitet). Sie sind "anders"
allein schon aufgrund des für die DDR unerhörten (und
auch hierzulande noch kaum begriffenen) Fakts, daß sich
eine ganze, inzwischen schon recht breit gestreute und an unterschiedlichsten
Temperamenten reiche Literatur-Formation, eben diese, seit mehr
als einem Dezennium (Sascha Anderson bezeichnet als "Konstituierungsphase"
die Jahre von 76 bis 79/80), fern den Verlagen und ferner noch
dem Schriftstellerverband und verwandten staatlichen Zugriff
kontinuierlich weiterentwickelt und qualifiziert. (Was ihre wahrlich
"anderen Erfahrungen" betrifft, erkundigt man sich
besser bei der Volkspolizei als im Verband, der vermutlich an
diesen Erfahrungen mitschuldig ist.) Diese Autoren (bzw. "Personen"),
da man sie jetzt sporadisch auf- oder Entscheidender
noch das "andere" unter solchen nicht immer gemütlichen
Bedingungen nach und nach herausgebildete theoretisch-poetologische
Selbstverständnis dieser Plejade, wie es sich in den seit
1980 florierenden zahlreichen in der Regel hektographierten little
mags artikuliert, angefangen mit Die unterschiedliche Tonlage der folgenden beiden Zitate - Czechowski verfehlt jedwede Adresse - sagt Genaueres über die tiefe Kluft, die sich zwischen hier und dort aufgetan hat. Der 1929 geborene Gerhard Wolf, der gleich dem Rezensenten die Poeten in SPRACHE & ANTWORT (und einige mehr) im Großen und Ganzen als die "eigentlichen" ihrer Generation empfindet, in seinen WIENER VORLESUNGEN von 1986: "Es läßt sich vermutlich nicht eindeutig begründen, warum zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, kaum vorhersehbar, junge Leute in der Kunst eine andere Tonart anschlagen, weil sie anders sehen und hören, anders empfinden und demzufolge anders schreiben ... als andere vor ihnen..." - Wie sehr anders, das demonstriert der 27 Jahre jüngere Rainer Schedlinski im Gespräch mit Egmont Hesse: "Ja, gerade in der ostberliner Lyrik der letzten Jahre gibt es viele Versuche, die Dinge in anderer Sprache neu zu denken... Papenfuß zerlegt die Sprache in kleinste monemische Einheiten, die sich dann untereinander, vom Text gereinigt, neu vermitteln lassen. Bei Döring finden digitalisierte, dialektische Kettenreaktionen statt, bei denen ein Wort das nächstliegende umbringt. Koziol arbeitet mit der Mechanik der Floskeln." So hat bislang noch niemals ein Dichter der DDR über das Dichten gesprochen (und Schedlinski ist ein Dichter, und ein bemerkenswerter außerdem!); was nicht heißen will, daß uns derlei Sprache ganz und gar fremd wäre. Der Poststrukturalismus und neben ihm andere neu-gallische Denkschulen - regelmäßige Gaben des westberliner Merve-Verlages vor allem? - haben auf dem Feld der Theorie so gründlich und fast alles andere verdrängend Wurzel geschlagen, daß es einen schon wieder mißlaunig stimmen könnte. Bloch, Adorno, Benjamin, die kunsttheoretischen wie philosophischen Anzapf-Säulenheiligen unserer Generation auch in der DDR (obwohl dort verfemt oder aber nur in Bruchstücken bekannt gemacht), scheint es niemals gegeben zu haben. Stattdessen erlebt man eine Flut von Verweisen und zuweilen fast gläubigen Berufungen auf Lacan, Derrida, Foucault, Blanchot, doch nicht minder auf Deleuze und Guattari, gelegentlich auch auf Bataille. Das gilt in
verstärktem Maß für die vorliegende Anthologie,
doch im allgemeinen auch für so gut wie alle Klein-Zeitschriften
des über die ganze DDR verstreuten Kreises, darunter die
berliner SCHADEN (hervorgegangen mit UNDSOWEITER um 1984 aus
der einzigen polizeilich gestoppten, der dresdner UND Lothar
Fiedlers), auf deren dreijährige Arbeit die Anthologie letztendlich
zurückgeht. (Der Luchterhand Verlag legte eine Sammlung
auf der Basis einer anderen dieser "Heft-Editionen"
vor, wie sie Peter Böthig genannt hat, der SINN UND FORM
des "Underground" namens MIKADO, länger als ein
halbes Jahrzehnt herausgegeben von Lothar Trolle, Bernd Wagner
und Uwe Kolbe. Die vergleichenden Analysen versprechen interessant
zu werden.) - ariadnefabrik, DIE ZWEITE STIMME, ANSCHLAG, VERWENDUNG,
undsoweiter (der favorite hit in den meisten der quasi Redaktionen
müßte eigentlich "I'm In Love With Jacques Derrida"
von Pop-Star Green Gartside sein...) Ich empfehle mit Nachdruck
Schedlinskis "ariadnefabrik", in der auch sämtliche
Autoren der Anthologie Im Humus bzw. vor dem Hintergrund dieses Blätterwäldchens und von seinem Gezirpe und Rauschen begleitet, zeichnen sich freilich in letzter Zeit, und wie sollte es anders sein?, divergierende Wege ab, darunter einige, und auch das kann keinen verwundern!, die ins schwiemelige Abseits des Sektiererhaften und Dumpf-Provinziellen führen mögen. Auch die Anthologie SPRACHE & ANTWORT hält sich dann und wann in Richtung solcher sich verengenden Fahrtrinne. Es ist nur die eine und nicht übermächtige Seite in diesem Buch; auf der anderen erkennt man zunehmende Souveränität und Weltläufigkeit, kritisch-distanzierte Neugier gegenüber den Angeboten der Provinz wie des Erdkreises gleichermaßen (fast kaum Aktivismus, allerdings, außer ästhetischem); hin und wieder die Nase zugeneigt den wechselnden Auslagen des internationalen Supermarks der Wörter und Begriffe, den man ja im Sommer und bei kecker Laune auch als einen Abenteuerspielplatz der Sprache empfinden kann, nicht beängstigend nur, sondern faszinierend, ja, "anmachend" nicht minder ... eben Pop! Weltläufigkeit und Souveränität - sie signalisieren sich (paradoxerweise?) auch in der Sichtung des engeren Umkreises, sofern sie der Ironie nicht enträt, z.B. im Sarkasmus eines längst fällig gewordenen selbst- und gruppenkritischen Statements "unter uns gesagt, aber behalt es für dich" (Bert Papenfuß-Gorek) über die derzeitige "Befindlichkeit" der PRENZLAUER-BERG-CONNECTION (Nachricht, nicht "Botschaft"), dessen lässige Schnoddrigkeit jedem Sekten-Bierernst als "Nestbeschmutzung" erscheinen muß: 1. ".........." (Nein, auf die so gern zitierte Mensching/Wenzel-Beschimpfungsstrophe möchte ich dieses Mal verzichten, zumal es sich im Zusammenhang mit diesem Thema eher um eine Auseinandersetzung - hört denn das nie auf? - mit einer immer schon einäugigen ("parteilichen"?), jetzt aber endgültig debil ("parteilich"?) gewordenen Literatur-Propaganda handeln müßte, die für einige Jahre Mensching und Wenzel sozusagen als jugendliche Musterhelden erkoren hatte, ein mittelmäßiges und in keiner Hinsicht innovatorisches Gedicht wie Menschings "Rosa-Luxemburg"-Memorial, "kühn" bestenfalls für beschränkte Alt-Stalinisten, bei jeder Féte vorzeigend als gezinkte Trumpfkarte; und es gibt wahrlich interessantere Texte von Mensching/Wenzel und Mensching mag es manchmal selber kühl den Rücken hinuntergerieselt sein...) Also 2.: "... im untergrund haben alle einen schatten/ alles wird angerissen & mitgeschnitten/ sagt man; man sagt, alle sind im widerstand/ in mißverstand & wohlgefallen/ unumstritten sascha anderson/ leicht angegangen aber unverrissen/ der treffliche stefan döring/ den uwe kolbe die scheidung der gemüter trifft/ im untergrund steht mein schwanz/ so scharf, alle sind geradezu im untergrund/ der groupietherapie in die krisis entronnen/ die unserem alter auch zukommt, aber noch/ vor einer strukturanalyse flieht & fleht/ der existenzbolschewismus möge ausbrechen /: wer fühlt - fehlt, wer fehlt - fällt/ wenigstens auf & sei's auf die beine// alles ist im untergrund obenauf; einmannfrei..." Zeilen aus einem der sicher leicht-gewichtigeren Texte von Bert Papenfuß-Gorek, allerdings deutlicher als manches andere der aktuellen literarischen Schulaufgaben dieser Generation auf der Spur: die strapaziöse Ambivalenz zu formulieren, die das Leben und Denken dieser Autoren seit einigen Jahren mitbestimmt... (Wir kommen darauf zurück.) Nebenher, auch Papenfuß könnte sich leicht auf Deleuze berufen, auf jenen Deleuze, wie ihn Schedlinski in seinem Gespräch mit Hesse kurz streift: "Deleuze und Guattari entwarfen eine ,rhizomatische' Struktur des Diskurses, in der jeder Punkt mit jedem verbunden werden kann..." Es ist ein Deleuze, dem auch der intellektuelle Karneval nicht fremd ist und wie er z.B., vorbereitet durch die Aufnahme Nietzsches in die bretonsche ANTHOLOGIE DES SCHWARZEN HUMORS, zu sagen den Mut findet: "Wer Nietzsche liest, ohne zu lachen, ohne häufig und zuweilen wie verrückt zu lachen, für den ist es so, als ob er Nietzsche nicht läse..." (Wird das die dunstumwaberte und tödliche alt-germanische Tiefgründelei jemals begreifen?) Ja, auch Papenfuß ist womöglich zu den "Leuten mit ,D-&-G-Kick'" zu zählen, wie sie genannt worden sind...
2 Papenfuß
ein moderner Fischart? Man müßte es als ein ästhetisches
Phänomen von Bedeutung erachten, wenn eine untergründig
durch die Jahrhunderte weiter schwärende frühbarocke
Literaturtradition - wer kennt schon Johann Fischart? - in einem
jüngeren Poeten der DDR (auf zunächst unerklärliche
Weise und scheinbar durch Nichts vorbereitet) ihre Wiederauferstehung
feiern würde. (Man lese probeweise in den Fischart-Seiten
des DEUTSCHEN LESEBUCHES Nein, Jandl
kannte er nicht, aber er "kannte" zum Zeitpunkt des
von Elke Erb erwähnten Gesprächs schon längst
einen anderen, ohne es zu verraten (und ähnlich verrückte
Erlebnisse halten auch andere der Generationsgefährten Papenfuß-Goreks
für den forschenden Leser parat), er "kannte",
und nicht nur soso, in der Tat Johann Fischart. (Der Rezensent
auch hat erst während der Niederschrift dieser Zeilen die
mit Recht als etwas billig oder anrüchig geltende "Herkunfts"-Frage
gestellt, und diese schien mehr als abwegig: "Mh, kennst
Du eigentlich Fischart?" Prompt: "Ja, natürlich!")
Um zum spannenden Kulminationspunkt dieses "Heureka"-Krimis
zu kommen: Die Prosaschriften - vielleicht auch das eine oder
andere Gedicht? - des wahrhaft kostbaren Manns Selbstverständlich
erklärt das nicht "alles"; und es findet sich
auf Erden außer Poesie und Literatur und Kunst noch mancherlei
anderes, wie bekannt (ob es vielleicht auch nicht zu gerne bekannt
gemacht werden möchte zum größeren Teil). Trotzdem:
Man liest das Gespräch Papenfuß/Hesse mit geschärfteren
Sinnen, wenn man nicht ausschließlich das "Moderne"
als Bezugsfeld im Kopf trägt (sicher, man könnte Fischart
als einen Joyce des Barockzeitalters begreifen); die Seiten,
auf denen Papenfuß ganz spontan sein Verhältnis zur
Sprache, zu den Wörtern darlebt - eine frühe Betrachtung
zu seinen Gedichten hatte unter der etwas irreführenden
Überschrift LINGUISTISCHE GEDICHTE gestanden -, gehören
für mich zu den Höhepunkten des Bandes SPRACHE &
ANTWORT: "Ich bin kein Philologe und kein Linguist... Ich
interessiere mich natürlich für die Etymologie, aber
nicht in jedem Falle, und ich glaube auch dann nicht landläufig
wissenschaftlich..." - In einem früheren Gespräch
hatte es geheißen: "... landläufig ist sowieso
ein ganz herrliches Wort, land-läufig..." (Das Anschließend
kann die Anthologie - zu selten solcher direkte Bezug zwischen
poetologischer Erörterung und Text! - fünf der Gedichte
mitteilen, die obigem (nur schwach angedeuteten) Gedankengang
bzw. Assoziationsgebrodel entsprossen sein werden: eins mit dem
Titel "Der allzulängliche Landlauf"; dann "Kavashili-,landlauf'-Mantra";
dann "The Continental ,Landlauf'", gleichsam ein barockes
Lied: "wan ich ein fant gewest/ wan ich den knüttel
schwang..."; Das Gespräch
Egmont Hesses mit Papenfuß und solche Beispiele machen
verständlich, weshalb sich Papenfuß, obwohl es manchmal
so aussehen mag, auf keinen Fall als Sprach-Experimentator bewertet
wissen möchte: "... das ist mein Leben, mit dem ich
experimentiere..." Es dürfte zudem erahnbar geworden
sein, daß für Papenfuß-Gorek und die Seinen
ein Bruch mit den in der DDR dominierenden ästhetischen
und poetologischen Konventionen unumgänglich geworden war
(und ist). - Mit Opas METRIK in der Hand, kommt man nimmermehr
durch dieses Land. - Bert Papenfuß-Gorek spricht im Sinne
der meisten seiner Generationsgenossen, wenn er von einem poetischen
Gebilde Kunde gibt, "das statt auf versen/ auf rhetorischen
einheiten fußt"; womit er schwerlich
3 Schedlinski,
der wie alle seine Generationsgefährten mit Recht sehr Unterschiedliches
ausprobiert, ist vielleicht nicht ganz so leicht auf einen Nenner
zu bringen, wie Thulin meint. Kein Verächter des poetischen
Bildes (wie etwa Rozewicz in seinem wiederum recht widerspruchsvollen
"Haß" auf die Dichtung), scheut er - eigentlich
im schroffsten Kontrast zu der oben zugestandenen "Grundtendenz"
- nicht einmal vor der Verwendung allerfettester Reizworte zurück,
z.B. vor den alt bewährten vokalreichen Farbsignalen (wie
er auch mit effektvollen Wiederholungen operiert), so am Schluß
das geradezu expressionistischen Textes "diese katholische
erotik"; ein Gedicht, dessen erste "Strophe" allerdings
geprägt wird von Formulierungen, wie sie eigentlich der
polemischen Essayistik entsprechen: "diese katholische erotik/
gipsgeflickter tugendallegorien/ unter kummerbögen/ (steissjungfern
& säulenheilige)/ erotik die die ewigkeit gähnt..."
Drei "Strophen", und jede folgt einem anderen stilistischen
Grund-Gestus - war derlei mit dem Hinweis auf das "destruierte
Subjekt" auch gemeint? -, dem polemisch-essayistischen in
der ersten folgt der eigentlich "expressionistische"
in der zweiten, an deren Beginn sogar ein Gedicht aus der Ein Friedhofs-,
ein Stadtgedicht, ein "Weltanschauungsgedicht" gar,
über das man streiten mag (vor allem im Hinblick auf die
stilistischen Brüche; aber sind es "Brüche"?);
ihm müßte ein so geschlossener Text wie das Landschaftsgedicht
"schleinitz" entgegengehalten werden (eines der Gedichte
Schedlinskis, die dem Rezensenten die liebsten sind), leider
nicht in SPRACHE & ANTWORT zu finden, sondern im LUCHTERHAND
JAHRBUCH DER LYRIK 1987/88 (möglicherweise die "Beschwörung"
einer Kinderlandschaft und somit eines weiteren Moments literarischer"Herkunft"),
nicht "expressionistisch" dieses Mal - man erlaube
mir, die Parallelen zur Bildenden Kunst weiterzuspinnen! -, sondern
näher den Ideen des Kubismus: "ernst sind die äcker
& ernst/ die häuser vor den äckern/ die hecken
sind/ ernst & gezeichnet// die quadratischen höfe/ ihre
rigorose geometrie/ ins fleisch der äcker geschnitten, stumm/
ziehst du deine diagonale// von stall zu stall/ über den
kopfstein/ des hofes ernst & stumm/ & gezeichnet steht
der/ holunder hinter dem hof/ beginnen die äcker & hecken,
ernst -..." Wahrscheinlich hat Michael Thulin solche Gebilde
gemeint, als er geschrieben hat: "In den neuen Texten Schedlinskis
geht die Einheit des Poetischen auch von der Einheit der beschriebenen
Gegenstände aus. Ortschaften und Landstriche werden darin
zu den verläßlichen Dingen der Sprachgebung..."
(Blanker Unsinn, über den man nicht allzu lange nachdenken
darf: Eine neue Realismus-Theorie? Nur gut, daß wir in
der DDR noch so 'ne Michael Thulin, Bezug nehmend auf eventuelle Reaktionen auf Schedlinskis Gedichte - denkt er an Kurt Scharf, dem Schedlinskis Texte nach seinem Geständnis in dem Bändchen RECHT STRÖME WIE WASSER nichts als "Orakel" geblieben sind, - denkt er an jenen begeisterten Johannes-R.-Becher-Leser in Großhänichen bei Bautzen? -: "Der seinen herkömmlichen Vorstellungen verpflichtete Interpret reagiert ... mit Unbehagen..." Mit was für Leuten hat Thulin eigentlich zu tun? Dieser archetypische "Interpret" reagiert schon 1912 auf Benns "Morgue"-Gedicht "mit Unbehagen", und zehn Jahre später auf T.S. Eliots "The Waste Land" ebenso, und wieder zehn Jahre danach auf e.e. cummings' "W (ViVa)" nicht anders; undsoweiter, undsoweiter. Und die Texte von Schedlinski sind keineswegs kühner oder heikler, eher mildtätiger... "Er vermißt" - ja, es muß doch an den Johannes-R.-Becher-Leser drunten in der Oberlausitz gedacht sein - "das 'eigentlich Lyrische' in ihnen..." Soll dieser Idiot von "Interpret" es vermissen zu seinem eigenen Nachteil!; wir vermissen es nicht... Höchstwahrscheinlich soll dem Leser mit dieser "Interpreten"-Fabel suggeriert werden, es handle sich bei den Schedlinski-Texten um einen geradezu ungeheuerlichen künstlerischen Vorstoß; davon kann indessen z.Z. die Rede noch nicht sein. (Sollte es uns nicht reichen, daß es sich um nichts anderes als um beachtliche, z.T. sogar um delikate Sachen handelt?) "... in einem Anflug lethargischer Sachlichkeit wird alles von der lyrischen Bühne gekehrt..."; schön gesagt von Michael Thulin, wenn auch nicht "alles", wie gezeigt worden ist, von der Bühne fliegt; aber die Geste zumindest wird bei der Lektüre der Schedlinskischen Gedichte oft spürbar (wie nicht weniger häufig bei Döring), und manchmal nähert sie sich der abwinkenden des späten Benn und dessen melancholisch-illusionslosem Weltverständnis: "Fragen, Fragen! Erinnerungen in einer Sommernacht/ hingeblinzelt, hingestrichen,/ in meinem Elternhaus hingen keine Gainsborougs/ nun alles abgesunken/ teils-teils das Ganze/ Sela, Psalmenende." (Gottfried Benn, 1954) O glimmender Schmelz des poetischen Nihilismus! Sicher klingt es - wie könnte es anders sein? - bei Rainer Schedlinski weniger süß, kantiger (ein Benn-Epigone ist er keinesfalls): "am ende meines lateins/ stand ich schlußendlich/ vor dieser monitorwand/ aber auch das war nur so/ eine nutzlose wahrnehmung". Weshalb sollte das "unlyrisch" anmuten am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts? Und wenn es schon keine Lyrik ist, dann ist es doch zumindest Poesie (hihi) - wie das wichtige, weil weiter gehende "sicher funktionieren die modelle", mitgeteilt in der "ariadnefabrik" (IV/87), Essayismus plus Collage-Technik, und auch hier fällt einem wieder Benn ein, freilich nicht minder so Manches in der englischen und amerikanischen Literatur (obschon neuerlich ein Franzose, nämlich Raymond Roussel beschworen wird): "sicher funktionieren die modelle die s/ ender schneiden den raum urbi et orbi/ aber die zeit ist mit raymond roussel/ unterwegs ihren personalausweis bitte/ bitte alles trifft ein wie die geister/ kolonnen schwarzer limousinen am abend..." (Nur wenige Zeilen als Signale eines sehr viel umfangreicheren Textes, vor allem auch deshalb hier notiert, um kein allzu enges Bild von den Bemühungen Schedlinskis und seiner Freunde entstehen zu lassen.)
4 Die erste dieser
Sammlungen, von Sascha Anderson u.a. zusammengestellt, ist allerdings
Manuskript geblieben; nach vielem Hin und Her um 1980 als "Arbeitsheft"
der Akademie der Künste geplant, hatte sie vor allem Unterstützung
durch Franz Fühmann erfahren. (Nach allem, was erzählt
wird muß Fühmanns Haltung ungefähr der entsprochen
haben, die Karl Mickel 1984 im Nachwort zu den Gedichten seines
Freundes Bernd Dieter Hüge eingenommen hat: "Hüges
jüngste Gedichte, argwöhne ich, sind auf dem Wege vermutlich
am ehesten dort, wo ich sie nicht verstehe... Vielleicht haust,
was mir verschlossen ist, in einer Kunstsphäre, die sich
erst bildet: will ich denken..." (Geradezu mutig: Ich möchte
ein einziges Mal einen unserer Staatsrezensenten bei solchem
Eingeständnis ertappen...) Trotz Fühmanns Bemühungen
ist dieses Werk mit dem kennzeichnend extravaganten Titel EINSAME
AUGEN IN AUGENHÖHE WIE STREUNENDE HUNDE IM WORTSCHATZ dann
doch noch am Veto der reaktionären Kamarilla in der Akademie
gescheitert. (Auch in diesem Die zweite dieser Anthologien, ein erheblich breiteres Spektrum erfassend als die vorliegende, ist unter dem schon ein wenig schlichteren Titel BERÜHRUNG IST NUR EINE RANDERSCHEINUNG 1985 in Köln erschienen; ebenso häufig abgelehnt wie begrüßt. SPRACHE & ANTWORT zeigt im wesentlichen die darauf folgende Phase, hauptsächlich an einigen Kern-Autoren der Klein-Zeitschrift SCHADEN demonstriert. Exemplarisch im Hinblick auf wesentliche Momente der Weiterentwicklung ein nur bei flüchtiger Betrachtung "verspieltes", in Wirklichkeit ungemein strenges und gerade durch seine Diszipliniertheit (in Spannung zum Wortspielerischen) fast unheimliches Gedicht aus der Feder des (im doppelten Sinn) hervorstechenden Stefan Döring; Verse - und es sind Verse! -, bei deren Lektüre sich wohl keiner mehr an die Intentionen Nicolas Borns erinnert fühlen wird (wie es nach Kenntnisnahme älterer Arbeiten Dörings dem sympathisierenden Gerhard Wolf geschah). - Das Gedicht ist "wortfege" überschreiben, und es geht so: "weinsinnig im daseinsfrack/ feilt an windungen seiner selbst/ wahrlässig er allzu windig// im gewühl fühlt er herum/ und windet sich nochmal heraus/ fund, kaum geborgen, bloss wort// wasser, lauernd, von wall zu wall/ die spiegel mit fellen überzogen/ wetter, uns umschlagend, dunst". Und dann, und man schaue scharf hin: "die gewährten fegt es hinüber/ die bleibenden gefahren erneut/ der sich herausfand währt dahin". - Das Hier und Heute mit seinen Ambivalenzen auf den Punkt gebracht! Man kann diese "Wortfolge", "Fortwege", "Wortfege" des Herrn Döring alias "Weinsinnig im Daseinsfrack" als ein Parallelgedicht zu Papenfuß-Goreks lokal orientiertem "Befindlichkeits"-Statement "unter uns gesagt" lesen oder auch zu Schedlinskis gleichsam kosmopolitischem "sicher funktionieren die modelle" (ja, die Modelle, wie sicher sie funktionieren!); in der Tat, es scheint die Zeit für solche erfahrungsummierenden Bekundungen zu sein (bei anderen Autoren dieser Gruppe findet man sie in modifizierter Form ebenfalls), erstaunlich (und begrüßenswert), daß sie nicht auf vordergründige Weise zu "Abrechnungen" werden (womit sie das Zwielichtige der Zeit ja auch verfehlen würden); das ändert nichts an der tiefen Betroffenheit, die sie beim aufmerksamen Leser hinterlassen müssen... Was die Verse Dörings betrifft: es erübrigt sich eigentlich, auf die an manche Effekte in den Bildern M.C. Eschers erinnernden sofort assoziierten Doppel- oder Dreifach-Bedeutungen der Wörter, Sätze, Bilder zu weisen (weit hinausgehend über das nur Neckisch-Sprachspielerische), auf die "Gefährten", denen es "gewährt" wurde, "hinübergefegt" zu werden, mein Gott!, auf die Schlußzeile schließlich, die das Gegenteil ihrer Bedeutung mit sich führt: "der sich herausfand währt dahin"; die Klette daran: "der sich herauswand fährt dahin" - betont noch einmal den Ernst des Anliegens durch den in diesen Vers hineinwinkenden Schlußsatz der büchnerischen "Lenz"-Novelle: "So lebte er hin..." (Funde solcher Qualität sind in dieser Anthologie nicht zu viele, aber doch einige zu machen). Ein (seit Längerem
vorbereiteter) Einbruch des Anagrammatischen, auch der den Arno-Schmidt-Fans
so vertrauten "Verschreib-Technik" usw.; und nicht
nur Stefan Döring ist von ihm gezeichnet (der übrigens
zur gleichen Zeit auch die Techniken des "Cut-up" ausprobiert,
inspiziertes Getiftle). Dieses unter Umständen mörderische
Element verhehlter Agressivität, als das es ja spätestens
seit Unica Zürns und Hans Bellmers Anagrammen erkannt ist,
streunt Zum Hintergrund
dieser Entwicklungen gehören natürlich nicht zuletzt
die unterschiedlichsten Versuche Elke Erbs, zum Beispiel auch
ihre Neu-Entdeckung des ursprünglich surrealistischen "Zufalls"-Prinzips,
wie es u.a. in Tipp- oder Druckfehlern ungenierte Triumphe feiert:
"Schreibe ich z.B. ... statt Ermittlungsprozeß Ermittlungsprprzeß,
zeigt mir das falsche p wortlos beredt und genauer, als es Worte
könnten, an, daß es Steine regnet, wo ich durchzukommen
denke./ Oder z.B. unglaubwürig statt unglaubwürdig.
Man könnte es nicht besser sagen." - Bedenkenswert
auch die Gleichzeitigkeit solcher Tendenzen in der Bundesrepublik,
der Schweiz und Österreich; bei Oskar Pastior, Schuldt und
anderen. - Der Referent will nicht hoffen, daß es solche
Produktionen waren (Christoph Hein scheint es anzunehmen), die
der Verlagsleiter Elmar Faber im Auge hatte, als er jüngst
ziemlich nebelschwadenhaft "eine Tendenz in unserer Literatur"
beklagt hat, "bei der die Belanglosigkeit der Stoffe in
einem eigenwilligen Wettstreit mit der Unverständlichkeit
der "Cut up!"
- und noch einmal kurz Stefan Döring gestreift, nämlich
den Döring der "Cut-up"-Technik-Meister William
S. Borroughs hat uns, wenn auch als Prosaist, so manchen Trick
aus dieser Kiste gezeigt -, der Methode also, einem Film-Cutter
ähnlich Wörter und Sätze oder auch Abschnitte,
ehe sie zum erwarteten Ende gelangt, rigoros abzubrechen bzw.
die vorgefundenen fertigen zu erschnibbeln, u.U. zu zerfetzen
(ein weites Feld, das hier nur angedeutet sein kann, ein Experimentierfeld
wiederum der unausgelebten bösesten Agressivität in
der Regel)... Döring setzt auch dieses Mittel mit großer
Klugheit und von erkennbaren Absichten gebändigt ein, was
wir freilich weniger auf den schwächeren "Cut-up"-Ansatz
"hamelett" in der Anthologie SPRACHE & ANTWORT
bezogen sehen möchten, als auf den weiter gehenden (schärfer
zerschneiderten) Text "wie als ob", erschienen in der
"ariadnefabrik" (IV/87)... Man lese den Anfang und
das Ende: 1. "oftmals wollte ich so sein wie/ doch bemerkte
ich immer/ daß ich nicht anders sein kann als// wenn ich
darüber nachdenke/ würde es mir auch nichts nützen
zu werden wie/ denn würde ich werden wie/ könnte ich
nicht anders sein als// wünschte ich aber wenn ich z.B.
wäre wie/ da ich Und so verliert sich der tiefernst-clowneske Text - nein, vom Thema der Ambivalenz will ich lieber doch nicht mehr reden -, eine Sammlung abgebrochener oder stecken gebliebener Sätze, um Objekt und Subjekt kreisend wie die Spiralnebel um die bekannten SCHWARZEN LÖCHER im Weltall, und es will mir scheinen, daß diese amputierten Sätze sehr viel mehr über Dich und mich aussagen - nein, Sie Ausnahme dort hinten meine ich nicht! -, über unsere Situation, über unsere sogenannte "Befindlichkeit" als jede intakt sich gebärdende "Aussage" unserer Leit- und Führungsliteraten, "AUSSAGEN", wie sie sich immer noch, als wäre seit vorgestern nicht so Manches geschehen, "belangvoll"-breitbeinig und allgemein "verständnis"-erregend auf den Buchbasaren aufstellen (um demnächst wie farbige Luftballons zu zerplatzen?). Vielleicht nicht
überdeutliche, aber doch durchaus abzurechnende Unterschiede
(bei Döring und überhaupt) zwischen dem jetzigen Entwicklungsstand
und dem, wie er vor drei Jahren von der BERÜHRUNGS-Anthologie
dokumentiert worden ist, in welcher man viele Autoren noch bei
der erheblich naiver anmutenden Verfertigung rotzig-assoziativer
Wortreihungen vorfand "Zuspitzung, Vorspitzung, zerspitz,
spitzbohrend, Fingerspitzen, Haarspitzen, Spitzbart" etc.
(Thom di Roes) -, als gelte es eine die armseligen offiziellen
Sprach-Muster zerfetzende stachlige Heerschau der Wörter
und eine "linguistische" Wikingerfahrt ins Unbekannte
gleichermaßen; vieles davon der jetzigen Phase vor-arbeitend,
das versteht sich von selbst... - So, wie jetzt vielleicht der
jüngste Beiträger Ulrich Zieger (geb. 1961) weiteren
Entwicklungen vorarbeitet, ein surrealismusnaher Poet direkterer
Wut, Artaud und Bataille im Gepäck - "Der junge Chauffeur
liegt den kopf/ in der suppe genäht in die haut ihrer bilder...",
"stalin hieß gertrud mit vornamen/ sagen die männer/
gertrud hieß hitler" - andere junge Leute im Alter
Ziegers reisen mit Panizza und Lautréamont durchs Land
-; oder wie möglicherweise der leipziger Erz-Poet Bernd
Igel, dem sogar seine Briefe an Behörden und Rezensionen
zu manchen Oberbuchhalter befremdender Poesie gerinnen, der auf
den ersten Blick konventionellste Autor in SPRACHE & ANTWORT,
aber Vorsicht - "ich sah die Nacht in der Mundhöhle
meiner Mutter verborgen" -, es könnte die dritte wichtige
Stimme einer
5 Die herausfordernd schrullige Umständlichkeit solchen Prologs läßt unsereinen (und nicht nur wegen des hübschen Witzes am Ende des Zitats) an bestimmte Artikulationen des nach-lautréamontschen Schwarzen Humors im weiteren Umkreis des Surrealismus denken bzw. an ein gerütteltes Maß fratzen-schneidender Desperatheit... Wir werden sehen.
(1) SPRACHE & ANTWORT. Stimmen und Texte einer anderen Literatur aus der DDR. Herausgegeben von Egmont Hesse, Frankfurt am Main 1988. (2) Diese an verschiedenen Orten gemachte Voraussage hat sich rasch als berechtigt erwiesen; so hieß es z.B. nach einer Lesung Bert Papenfuß-Goreks im leipziger Jugendklubhaus "Arthur Hoffmann" ("Lesung Steinstraße 18"), der ersten nach langjährigem Auftrittsverbot für den Dichter in der Messe-Stadt, in einer Rezension im SÄCHSISCHEN TAGEBLATT (12./13.11.1988), daß es sich hier um einen Dichter handle "der ... nicht zu einer sogenannten 'anderen' DDR-Literatur gehört, die es sicher so auch nicht gibt..." (Die hochgemut-ängstliche Abwehrgeste kann eigentlich nur der richtig begreifen, der weiß, daß der stalinsche Begriff der "politisch-moralischen Einheit von Staat und Bevölkerung", in den Jahren des schlimmsten stalinschen Terrors entstanden, bis heute in unterschiedlichster Weise in der DDR nachwirkt, was selbstverständlich auch seine grotesken Seiten hat.) - In einer in den Jahren 86/87 entstandenen Seminar-Arbeit für die Universität in Jena kommt der Verfasser Klaus Michael zu dem Schluß: "Befragt man die hier vorgestellten poetischen Konzeptionen, so wird man feststellen, daß sich in ihnen kein Fortschrittsdenken artikuliert." Und er betont "... daß mit den um 1955 Geborenen eine literarische Generation antritt, die zum erstenmal kein soziales oder individuelles Zukunftsbild entwirft..." Eine Feststellung, die sich nicht zuletzt auf die Autoren in SPRACHE & ANTWORT bezieht. (Jedenfalls ist es eine "andere" als die in den letzten zehn Jahren staatlicherseits und also auch von der Literaturwissenschaft der DDR geförderte bzw. "gehätschelte" Literatur - oder?) (3) In seinem
Nachruf auf die Heft-Edition SCHADEN, "publiziert"
im leipziger ANSCHLAG und in der berliner "ariadnefabrik":
"Die künstlerischen Avantgarden hat es in der DDR bis
in die Mitte der 70er Jahre praktisch nicht gegeben... In den
letzten zehn Jahren wurde nachgeholt, was in 30 vorherigen eine
Leerstelle war... Inzwischen scheinen sich Veränderungen
anzudeuten..." - Huschhuschhusch, ziehten aus dem Busch;
endlich haben wir das Schlimmste hinter uns!; ruft die ddr-germanistische
Buchhalterseligkeit: Schnellkurs abgeschlossen!, vorwärts
zum nächsten Zehnjahrsplan! - Wer, sagen wir 'mal, von "außerhalb"
kommt, mag sich, nach einigen neugierigen Wanderungen die freilich
sehr unterschiedlich steilen Hänge der "anderen Literatur"
hinauf und (aus KONTEXT 5, März 1989) |
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